Leporello im Gespräch mit dem „Garten Fräulein“, alias Silvia Appel, über den Faktor Zeit beim Gärtnern

von Susanna Khoury (erschienen in Ausgabe 4/2015)

„Für mich ist es keine Anstrengung, wenn ich nach dem Job noch im Garten arbeite, sondern Zeit, die mir etwas gibt“, sagt die 28-Jährige Marketingfrau, die seit fast zwei Jahren als „Garten Fräulein“ weit über Würzburg hinaus bekannt ist.

Angefangen hat alles mit einem Arbeitsauftrag ihres damaligen Chefs, der sie bat, sich im Bloggen fit zu machen.

„Als Mädchen vom Land, ich wuchs in einer 100-Seelen- Gemeinde auf, war meine einzige Leidenschaft das „Gärtnern“.

Das kannte ich von Kleinauf und konnte mitreden. Also startete ich einen Garten-Blog zu Übungszwecken“, erzählt die Mittelfränkin aus Adelmannssitz. Dieser ist inzwischen hochprofessionelles Spielfeld für viele Gartenfreunde und dem nicht genug... !

Kürzlich ist Silvia Appels erstes Buch erschienen („Mein kreativer Stadtbalkon“) und ihr erster Online-Shop ist auch am Start (de. dawanda.com/shop/garten-fraeulein).

Allen gängigen Meinungen zum Trotz, dass „Gärtnern“ etwas für den Ruhestand ist, zeigt das „Garten Fräulein“ wie die Arbeit im Garten, die für sie keine ist, ein Ausgleich zu einem stressigen und so ganz anderem Berufsalltag sein kann.

„Gartenarbeit erdet mich“, sagt Silvia Appel. Es hat für mich etwas Sinnstiftendes, wenn ich sehe, wie etwas wächst und gedeiht und sich all die Mühe, die ich hineinstecke, am Ende auszahlt – nicht materiell, sondern in Form einer wunderschönen Blume oder einer ohne Chemie gezogenen Karotte“.

Auch lerne man Lebensmittel wieder anders schätzen, wenn man merkt, wie viel Zeit und Pflege es braucht, dass eine Tomate rot und erntereif ist.

„Es hat mein Bewusstsein in Bezug auf Nachhaltigkeit sehr verändert“, betont die Gründerin einer Urban-Gardening-Gruppe.

Geduld haben, warten können, das sind Attribute, für die es im Schneller, Höher und Weiter unserer High-Speed-Gesellschaft kaum noch Raum gibt.

Daher nimmt sich das „Garten Fräulein“ nach dem durchgetakteten Marketingalltag in den Agentur bewusst raus, um runter zu kommen.

„Ich arbeite im Garten nicht plötzlich langsamer als in der Agentur. Ich bin ja der gleiche Mensch“. Aber die gefühlte Taktung sei anders. „Für mich ist Gartenarbeit zeitlos.

Stunden vergehen wie im Flug ohne dass ich einmal auf die Uhr schaue...!“

Der Garten ist auch ein Raum jenseits der Zeit, so scheint es. Denn alles hier braucht seine Zeit, zum Wachsen, Gedeihen und Reifen.

Das lässt sich keineswegs beschleunigen, höchstens günstig beeinflussen, aber auch nur manchmal.

„Jedes Gartenjahr ist anders“, berichtet das „Garten Fräulein“ von ihren Erfahrungen. „Du machst alles genauso wie im letzten Jahr, weil du stolz auf die Früchte deiner Arbeit warst, und dieses Jahr kümmert alles vor sich hin“.

Da spielen so viele Faktoren mit, wie Sonne, Regen oder Wind, die man halt nicht beeinflussen kann.

„Auch das lernt man beim Gärtnern“, so die Urban- Gardening-Queen, „dass es Dinge gibt, die außerhalb unseres Einflussbereichs liegen - egal wie gut wir unseren Job machen oder wie sehr wir uns auch anstrengen!“

Es hat fast schon etwas von Zen, das Gärtnern.

Auf jeden Fall lehrt es, dass die Natur ihre eigenen, für uns manchmal undurchschaubaren Gesetze hat – und eigentlich ist das auch gut so. Denn die vom Mensch „gemachten“ Produkte, die den Marktanforderungen nachkommen, haben oft nicht mehr viel mit gesunden Lebensmitteln zu tun, da entweder genmanipuliert oder so gespritzt, dass die ursprünglich enthaltenen Vitamine, Mineralien und Spurenelemente keine Chance mehr haben, in unserem Körper etwas Positives auszurichten, weil sie von der ganzen Chemie überlagert werden.

Wachstum braucht Zeit, weiß auch das „Garten Fräulein“. „Die Pflanzen müssen in unseren Breiten Gas geben, denn in Deutschland geht das Gartenjahr von Mai bis höchstens Oktober. Daher ziehe ich auch Pflänzchen vor, um ihnen einen Vorsprung zu verschaffen...“

Wenn man im Mai erst mit der Aussaat beginnen würde, wäre das für die meisten Ernten zu spät, so Appel.

Auch in das Gärtnern muss man hineinwachsen, wie in alles andere auch. Es sei ein lebenslanges Lernen, sinniert das „Garten Fräulein“, aber man wachse auch mit seinen Aufgaben und das Schöne daran sei, man lerne nie aus! Und das ist auch der Trick dabei.

Man kann nicht ohne Nachzudenken vor sich hinarbeiten, sondern müsse sich schon auf das, was man tue, konzentrieren. Da man immer nur eine Sache gleichzeitig tun kann, schaltet man automatisch vom Alltag ab und begibt sich in den Zustand „Garten-Modus“.

„Für mich ist das ein höchst zufriedenstellender Modus“, schwärmt das „Garten Fräulein“. Darum schafft das „Gärtnern“ auch oft diesen allseits gerühmten Flow-Zustand, bei dem die Welt für eine kurze Weile einfach nur in bester Ordnung ist.

„Es hat etwas mit ankommen zu tun“, beschreibt Silvia Appel ihre Motivation, nach einem harten Arbeitstag am Abend noch viele Stunden auf ihrem Stadtbalkon oder im Garten zu werkeln.

„Es tut einfach der Seele“ gut, anders kann ich es nicht beschreiben!“ 

INFO: www.garten-fraeulein.de, de.dawanda.com/shop/garten-fraeulein

Bildnachweis: Silvia Appel

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