Ein Gespräch mit dem langjährigen Würzburger Funkhauschef Kurt Schuhmann, der kürzlich in Ruhestand ging

von Susanna Khoury (erschienen in Ausgabe 05/2014)

Heute ist Kurt Schuhmann zu Gast im Charivari-Studio. 26 Jahre lang war das ein bisschen anders.

Sein Rentnerdasein ist noch ganz neu für ihn.

Kurt Schuhmann ist Anfang des Jahres nach 26 Jahren als Geschäftsführer von Radio Gong und Radio Charivari in Ruhestand gegangen.

Wie fühlt sich das an, wollte ich von dem Mann wissen, bei dem sich fast 30 Jahre alles um die neuesten Nachrichten und deren Verarbeitung gedreht hat.

Von 100 auf Null – das ist bestimmt gewöhnungsbedürftig?

„Ich habe bis zum Schluss so getan als würde es 2014, sprich mein Ausscheiden, nicht geben. Von daher war es wirklich von 100 auf Null! Ich schlafe länger, gehe nicht mehr jeden Tag ins Funkhaus, lese länger Zeitung, beschäftige mich mehr mit meinen Enkeln und betreibe wieder meinen geliebten Schwimmsport (dreimal die Woche), was aus Zeitgründen neben der Arbeit im Funkhaus nicht möglich war“.

Kurt Schuhmann nimmt sich Zeit für sich und kann diese auch genießen. Sein Tag ist ausgefüllt mit Dingen, für die er im durchgetakteten Medienalltag nie Zeit hatte.

Er war mit dabei als die Regionalsender aus der Taufe gehoben wurden. 1987 teilten sich Radio Charivari, Radio Gong und W1 eine Frequenz, später erst bekam jeder Sender seine eigene.

„Das bedeutete, jede Redaktion musste auch nur für eine bestimmte Zeit Programm machen. Nach einem Jahr hatte jeder Sender seine Frequenz mit 24 Stunden Sendezeit, die gefüllt werden wollte.“

Und seitdem ist so wahnsinnig viel in Sachen Beschleunigung passiert, dass man die Technikumstellungen und Automationen gar nicht mehr zählen kann. Für den Hörer habe sich nichts verändert, betont Kurt Schuhmann.

Doch der Ablauf im Funkhaus - in der Redaktion, im Studio, in der Produktion - sei natürlich ein ganz anderer als früher.

Die Zeiten haben sich geändert und gerade als Medienanstalt müsse man extrem mit der Zeit gehen, um die Aktualität nicht zu verschlafen.

Der allseits beliebte ehemalige Funkhauschef Schuhmann hat allen Unkenrufen zum Trotz das Schiff „Regionalradio“ immer gut durch alle Stürme, die es durchaus gab, gelotst. Er hat das Ruder nun an seinen Nachfolger Fabian Steigerwald weitergegeben mit einer Hörerquote, die sich sehen lassen kann.

Stabübergabe - seit Anfang des Jahres hat Fabian Steigerwald als neuer Chef die Geschäfte vom Funkhaus übernommen. Kurt Schuhmann und er haben zuvor schon länger sehr gut zusammengearbeitet, so dass die „Amtsübergabe“ fließend verlief.Jüngsten Umfragen zufolge hört jeder zweite Mainfranke entweder Gong oder Charivari. Das ist mehr als Antenne Bayern oder Bayern 3 vorweisen kann. Chapeau! Regional ist und bleibt Trumpf.

Die Menschen wollen zu allen Zeiten zuerst über das, was vor ihrer Haustüre passiert, informiert werden. Und deshalb werden die Jüngeren auch immer Gong und die etwas Älteren immer Charivari hören. Wobei auch hier sich die Zeiten geändert haben, behauptet der alte Hase in Sachen Medien.

„Den typischen Gong- oder Charivari-Hörer gibt es nicht mehr!“, so Schuhmann. Früher ging man von der „Zielgruppe Gong“ von 15 bis 29 Jahren aus und „Zielgruppe Charivari“ von 30 bis 60.

Sowohl die Jugend als auch das Alter seien zeitloser geworden, was eine strikte Trennung oder Zielgruppen-Einteilung unmöglich mache.

Was trotz aller Automation und Computertechnik dennoch immer noch so ist wie früher, ist der Ramptalk oder das Backtiming des Moderators, der nach der Studiouhr seine Aufsprecher auf die Musik oder das Ausfaden des Titels zu den Nachrichten im Griff haben muss.

Auch wenn er keine Schallplatten mehr per Hand mehr eincuen muss, alles nimmt ihm der Computer nicht ab. Die Zeit ist im Radio allgegenwärtig.

Es ist immer Jetzt! Und jede Unkonzentriertheit des Moderators, der der rote Faden durch die Sendung ist, wird sofort bestraft in Form eines Lochs, eines Versprechers oder einer Fehlschaltung.

Wenn ein berichtenswertes Ereignis passiert, war Radio immer das Medium, das am schnellsten reagiert hat. Warum? Weil hier minütlich Redaktionsschluss und „on air“ nur einen Knopfdruck weit entfernt ist.

Doch ist das immer noch so, wollte ich vom erfahrenen Medienmann wissen?

„Klar gibt es Twitter, Facebook und Co, aber das schnellste, gesicherte Medium ist immer noch das Radio! Denn hier publizieren ausgebildete Journalisten, die eine Nachricht gegenchecken“.

Auf den anderen Kanälen kann jeder sich zu Wort melden, auf zwei unabhängige Quellen, die das Gepostete vorher bestätigt haben, wird gerne verzichtet.

Und so heißt es auch in der High-Speed-Gesellschaft nicht „time out“ für das Radio, weil es eine unverzichtbare sichere Informationsquelle im Alltag der Menschen ist, die unaufdringlich, nebenbei auf dem Laufenden hält und noch dazu unterhält.

„Weil dem so ist, glaube ich fest an die Zukunft von Radio“, fasst Kurt Schuhmann unser Gespräch zusammen.

„Radio war zu allen Zeiten ein Seismograf. Radio gibt Erstinformation, die man bei Interesse im Internet oder in allen zur Verfügung stehenden Printmedien vertiefen kann“.

Radio ist schnell und oberflächlich, wobei diese Oberflächlichkeit Markenzeichen und damit gewollt ist. Kurt Schuhmann will auch im Ruhestand die Entwicklung des Radios verfolgen. Und nicht nur das, einmal Medienmann immer Medienmann.

„Ich bin zweimal täglich im Internet, lese ausführlich Zeitung und Magazine und höre Radio, um zu wissen, was in der regionalen und überregionalen Welt vor sich geht“, erzählt Schuhmann schmunzelnd.

Den finalen „cut“ hat es daher für ihn in der Form wie es andere Ruheständler erleben nicht gegeben.

Für seinen „Unruhestand“ wünschen wir ihm alles erdenklich Gute und weiterhin so viel Neugier und Begeisterungsfähigkeit für Neues wie bisher!

Das Interview mit dem ehemaligen Geschäftsführer von Radio Gong und Radio Charivari führte Leporello-Chefredakteurin Susanna Khoury.

Bildnachweis: SCHMELZ FOTODESIGN

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