Die Wahrheit über Frauen in Führungspositionen

von Susanna Khoury (erschienen in Ausgabe 9/2017)

Im Gespräch mit Landtagspräsidentin Barbara Stamm, Hotelchefin Sabine Unckell und der Leiterin der Pressestelle der Universität Würzburg Dr. Esther Knemeyer Pereira über den Rollen-Spagat Frau, Mutter, Tochter, Schwiegertochter und Chefin zu sein.

Barbara Stamm: „Wer Frauen in Führungspositionen bringen und hoch qualifizierte Frauen halten möchte, muss als Betrieb oder Behörde etwas bieten können, ich denke da zum Beispiel an Telearbeit, flexible Arbeitszeitkonten und den Verzicht auf Kernzeiten.“Die Quote von Frauen in Führungspositionen bei Unternehmen ab 10.000 Mitarbeitern liegt laut dem Statistik-Portal Statista bei 16,9 Prozent (veröffentlich 2017, erhoben 30. Juni 2016). Und das, obwohl der Gesetzgeber ab 1. Januar 2016 eine Frauenquote von 30 Prozent vorschreibt.

Unterschiedlich sind die Zahlen auch, schaut man auf die Größe der Unternehmen, das Bundesland oder die Branche. Während laut einer Erhebung der Hamburger Wirschaftsauskunftei Bürgel bei einer Unternehmensgröße zwischen 101 und 500 Mitarbeitern die Frauenquote bei nur 12, 1 Prozent liege, führe das Gesundheitswesen mit 37,2 Prozent Frauen in Führungspositionen das Ranking an.

Bei den Bundesländern liege Brandenburg mit einem Chefinnenanteil von 26,1 Prozent vorn, Schlusslichter seien hier Bremen, Baden-Württemberg und Bayern. In unserem Spezial habe ich diesmal mit drei Frauen aus der Region gesprochen, die allesamt Vorgesetzte sind und gefragt: „Was ist die Wahrheit über Frauen in Führungsposition?“.

Landtagspräsidentin Barbara Stamm (72), Hotelchefin Sabine Unckell (52) und Dr. Esther Knemeyer Pereira (50), Leiterin der Pressestelle der Universität Würzburg, sind in unterschiedlichen Branchen zuhause und sind unterschiedliche Persönlichkeiten mit divergierender Vita und doch haben sie eines gemeinsam: Sie haben es an die Spitze geschafft, trotz der Herausforderung, Beruf und Familie vereinbaren zu müssen.

Die ganze Wahrheit

Aber das ist nur die halbe Wahrheit! Die ganze Wahrheit ist, so Sabine Unckell: „Eine Frau als Unternehmerin ist oft auf sich alleine gestellt, weil sie niemanden hat, der ihr den Rücken freihält. Zudem muss sie ‚Nebenkriegsschauplätze‘ wie Geburtstage, Schwiegereltern, Kinder und Haushalt im Blick behalten. Das macht den Aufstieg mühevoller als bei einem Mann.“

Auch Dr. Knemeyer Pereira, Mutter von Zwillingen, bestätigt, dass die Doppelrolle von Mutter und Führungskraft, Frau einiges in Sachen Selbstorganisation, Koordination und Flexibilität abverlange. Neben dem Job noch das „private Kleinunternehmen Familie“ zu managen, sei schon eine Herausforderung.

„Eine Frau an der Spitze eines großen Unternehmens ist leider immer noch eine Besonderheit“, betont Barbara Stamm. „Manche traditionelle Rollenbilder sind noch nicht ganz verschwunden.

Frauen sind heute genauso gut – wenn nicht besser - ausgebildet wie Männer und trauen sich endlich etwas zu. Die Strukturen in den Betrieben und manchen Köpfen sind allerdings manchmal noch nicht so weit“, so die Landtagspräsidentin.

Dr. Knemeyer Pereira: „Die Kinderbetreuung in Deutschland hat leider bei Weitem noch nicht das Niveau anderer Länder erreicht. Außerdem fehlt die Einstellung skandinavischer Länder, wo auch Vorgesetzte ganz selbstverständlich um vier Uhr gehen, um ihre Kinder abzuholen.“„Als junge Abteilungsleiterin in der Energiewirtschaft war ich viele Jahre die einzige Frau in der Führungsriege. Da hatte ich oft den Eindruck, mich besonders beweisen zu müssen. Außerdem scheint bei einem Mann das Äußere weniger von der Kompetenz abzulenken“, meint Dr. Knemeyer Pereira.

Die Politikerin Stamm appelliert in diesem Zusammenhang an die Solidarität von Frauen untereinander. Hier tue mehr Unterstützung und gegenseitige Förderung Not: „Frauen sollten immer versuchen, andere qualifizierte Frauen in Führungspositionen nachzuziehen!“ Nach Auskunft von Bürgel sei vor allem in Entscheider-Gremien nach wie vor eine ausgeprägte Männerdominanz zu verzeichnen.

Auch Esther Knemeyer wünscht sich mehr weibliche Führungskräfte, an denen sich junge Frauen als Vorbilder orientieren können.

Ja? Nein? Vielleicht?

Frauen entscheiden anders, das stimmt! Aber anders ist per se nicht schlechter oder besser. Es ist nur anders und bekanntlich kommt man ja auf vielen Wegen nach Rom. Männern wird nachgesagt, sie würden auf der faktischen Ebene kommunizieren, Frauen mehr auf der sozialen Ebene.

Eine Annahme, die meine drei Interviewpartnerinnen unisono bestätigen: „Mein Eindruck ist, dass Frauen ihre Mitarbeiter besser abholen. Ich kann mir vorstellen, dass sie auch Entscheidungen auf einer anderen Basis treffen oder mit anderen Argumenten überzeugen. Im Ergebnis haben Männer wie Frauen dieselbe Entscheidungsqualität: Die Entscheidungen sind nicht besser oder schlechter – vielleicht gar nicht anders – nur eben unter differenzierten Gesichtspunkten getroffen“, so Barbara Stamm.

Da schließt sich Dr. Esther Knemeyer Pereira an und fügt hinzu: „Frauen verwenden Zeit darauf, ihr Gegenüber mitzunehmen. Das ist aufwändig, hilft aber dabei, ein motiviertes Team und tragfähige Lösungen zu bekommen.“

Ja? Nein? Vielleicht? – Frauen sind nicht wankelmütig, sie beleuchten nur von allen Seiten. Manchmal dauern ihre Entscheidungen dadurch länger, ganz klar, sie hatten ja auch einen längeren Weg - durch den Kopf und den Bauch!

Sabine Unckell: „Frauen sind mindestens so gute Unternehmer wie Männer!“„Ich entscheide ganz viel aus dem Bauch heraus“, sagt die Geschäftsführerin des Hotels „Würzburger Hof“ in Würzburg, Sabine Unckell: „Das Bauchgefühl trügt nicht. Dieser kleine Moment, in dem man beschließt, ob man etwas gut findet oder nicht, der macht für mich den Ausschlag. Das bedeutet nicht, dass ich mir über eine Entscheidung keine Gedanken mache…, aber das Zünglein an der Waage ist der Bauch!“

Und die Hotelmanagerin Unckell erklärt auch den Unterschied in der Praxis zwischen „weiblichem“ und „männlichem“ Führungsstil: „Wir delegieren nicht von oben herab, wir suchen das Gespräch, wir fragen nach, versuchen das Gegenüber zu stärken, wir loben, wir sind mit Gefühl dabei…, nicht immer, aber oft!“

Daher ist es umso verwunderlicher, dass Sabine Unckell auf meine Frage: Wünscht Du Dir manchmal, ein Mann zu sein? antwortete: „Ich denke oft, im nächsten Leben werde ich Mann. Männer sind viel ‚schmerzfreier‘, machen ihr Ding und alles andere lassen sie machen, das will ich im nächsten Leben auch.“

Während Dr. Esther Knemeyer Pereira und Barbara Stamm einhellig und ohne wenn und aber auch im nächsten Leben das Frausein wählen!

Das Interview mit Landtagspräsidentin Barbara Stamm, Hotelchefin Sabine Unckell und der Leiterin der Pressestelle der Universität Würzburg Dr. Esther Knemeyer Pereira führte Leporello-Chefredakteurin Susanna Khoury.

Quelle: Bürgel Wirtschaftsinformationen GmbH & Co. KG, www.buergel.de, Statistik-Portal Statista, www.statista.com

Bildnachweis: Dr. Knemeyer Pereira: ©Daniel Peters, Barbara Stamm: ©Rolf Poss - Bildarchiv Bayerischer Landtag, Sabine Unckell: ©Privat, teaser: ©depositphotos.com©Wavebreakmedia

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