„Ist die Vielfalt in Gefahr?“

von nio (erschienen in Ausgabe 02/2020)

Mehr als 21.000 Menschen möchten nicht auf eine Veranstaltungslocation wie die Posthalle verzichten.
„Ist die Vielfalt in Gefahr?“ Darüber diskutierten die Kandidatinnen und Kandidaten für das Oberbürgermeisteramt der Stadt Würzburg in der Posthalle

Die Kulturszene in Würzburg ist bunt. Das weiß man weit über die Grenzen Unterfrankens hinaus. Das vielfältige Angebot lockt Musikfreunde, Kunstliebhaber, Literaturkenner und viele mehr an die Ufer des Mains. Doch diejenigen, die Kultur schaffen, haben es nicht immer leicht. Das zeigt nicht zuletzt die ungeklärte Zukunft des Kulturprogramms auf dem ehemaligen Postareal gleich neben dem Hauptbahnhof, der Posthalle. Noch ist es ein praktisches, preiswertes und vor allem zentral gelegenes Zuhause für eine ganze Reihe von Menschen, die Würzburg mit ihrem Tun bereichern. Aber wie lange noch? Die Posthalle soll dem Bismarckquartier mit Wohnungs- und Bürobauten einer Investorengruppe weichen. Der Mietvertrag endet im März 2023. Auf Einladung des 2017 gegründeten „Fördervereins zur Unterstützung der kulturellen Vielfalt der Posthalle e.V.“ stellten sich gut drei Monate vor der Kommunalwahl am 15. März Christian Schuchardt (CDU, amtierender Oberbürgermeister), Kerstin Westphal (SPD), Martin Heilig (Bündnis 90/Die Grünen) und Sebastian Roth (Die Linke) in einer öffentlichen Podiumsdiskussion der nicht einfach zu beantwortenden Frage: „Ist die Vielfalt in Gefahr?“

Unter der Moderation von Tobi Grimm (Moderator von Radio Gong) nahmen vier von insgesamt sieben Kandidatinnen und Kandidaten für das Oberbürgermeisteramt Stellung. Joachim Schulz, Inhaber der Posthalle und Stadtrat der SPD, nahm im Publikum Platz. Für Kandidat Sebastian Roth ist klar: „Wir müssen gucken, dass unsere Vielfalt jeden Tag besser wird und auf keinen Fall wichtige Bausteine wie die Posthalle verloren gehen.“ Die ehemalige Europa-Abgeordnete Kerstin Westphal stellt ebenfalls fest: „Würzburgs Kulturträume sind Räume. Sie können durchaus in Gefahr sein, wenn man sich nicht beständig dafür einsetzt, dass diese freie Kulturszene auch einen Ort hat, wo sie sich in ihrer Vielfältigkeit – nicht nur in ihrem Angebot, sondern vor allem auch für alle Bevölkerungsgruppen – darstellen kann.“ Kandidat Martin Heilig formuliert es mit Blick auf die Zukunft der Posthalle so: „Ich finde, hier muss angepackt werden. Wir brauchen einen konkreten Plan.“ Es brauche Vorschläge, wo eine Alternative für die Posthalle geschaffen werden könne. Zur Sprache gebracht wurden im Laufe des Abends einige Ideen – wie unter anderem das Parkdeck neben dem „Cinemaxx“ in der Veitshöchheimer Straße. Oder ist doch die ehemalige Faulenberg-Kaserne in der Nürnberger Straße ein möglicher Ersatz für die Posthalle? Letztere favorisiert Oberbürgermeister Christian Schuchardt – allerdings nicht für alle Nutzungsmöglichkeiten, die die Posthalle derzeit bietet.

Auch das Publikum machte Vorschläge. So sollte sich Würzburg doch einmal ansehen, wo und wie Kulturräume andernorts untergebracht sind und mit diesen ins Gespräch kommen. Als vorbildhaft wurde unter anderem das E-Werk Kulturzentrum in Erlangen genannt. Es ist weit über die regionalen Grenzen hinaus als eines der größten Kulturzentren Deutschlands bekannt. Untergebracht sind hier mehrere große Veranstaltungs- und Seminarräume, ein Programmkino sowie eine Bar mit Restaurant. Getragen wird es von einem Verein und einer GmbH ohne Gewinnabsichten. Unterstützt wird das E-Werk von der Kulturförderung der Stadt Erlangen. In Würzburg gibt es noch keine konkreten Pläne. Einig waren sich alle Anwesenden jedoch in einer Sache. Es drängt die Zeit. Eine Lösung muss schnellstens gefunden werden. Und zwar an einem neuen Standort. Der Förderverein nutzte die Veranstaltung und überreichte das Ergebnis seiner Unterschriftenaktion an Christian Schuchardt. Rund 21.000 Personen unterstützen darin den Erhalt der Posthalle. Sie wollen, dass sich die Stadt an der Suche nach einer neuen Location beteiligt. Denn für sie ist klar: Es muss weitergehen.

i
www.posthalle.de

Bildnachweis: Teresita Seib

Anzeigen