Wie das Netz hilft, das Beste aus der Situation rund um Corona zu machen

von nio (erschienen in Ausgabe 04/2020)

Lea Welling hat zusammen mit Pascal Schmitt, Melina Haimann, Thomas Schmidt, Bernd Frank Schwab, Mary Scherrer, Julia Friesie, Janay Kimberly Rappelt und Florian Nöhrig die Corona-Hilfe Würzburg und Umgebung ins Leben gerufen.
Jeden Abend stehen in Italien die Menschen auf den Balkonen und klatschen für Ärzte, Pflegepersonal und Verkäuferinnen, die der aktuellen Lage trotzen und weiterhin ihrer Arbeit nachgehen. Und auch im Netz finden sich unter dem Hashtag #andratuttobene viele rührende und vor allem kreative Szenen der Solidarität. In Würzburg haben die Menschen ebenfalls angefangen zu „klatschen“. „Nun heißt es Zusammenhalt und Anerkennung zeigen“, postete zum Beispiel Lea Welling in einem Facebook-Aufruf, der die Bevölkerung am 20. März dazu aufforderte, ab 17 Uhr auf Fenster, Balkon oder Terrasse für ein paar Minuten jenen zu applaudieren, „die für uns alle und unsere Gesellschaft arbeiten“.

Die junge Frau ist Mitbegründerin der Facebook-Gruppe „Corona-Hilfe Würzburg und Umgebung“. Mittlerweile ist diese mehrere Tausend Mitglieder stark. Ziel sei es, Helfer und Hilfesuchende möglichst unkompliziert zusammen zu bringen. „Leider verliert man in Facebook-Gruppen schnell den Überblick, wer wann und wo helfen könnte, respektive Hilfe benötigt. Wir lösen dieses Problem mit einem Dokument. In dieses kann man seinen Ort, Uhrzeit, Art der Unterstützung und ob man Helfer oder Hilfebedürftiger ist, eintragen“, erklärt Pascal Schmitt. Ebenso fordern er und seine Administratorenkollegen auf: „Schaut auch bitte regelmäßig in das Formular, ob Hilfe benötigt wird.“ So soll innerhalb der Gruppe eine solidarische Community aufgebaut werden, „die sich bei den Problemen in den nächsten Monaten aushilft und dabei gerade auf die Schwächeren achtet“. Wie gut das funktioniert, davon ist Lea Welling begeistert. „Wir sind sprachlos über den Zusammenhalt hier in Würzburg und danken jedem einzelnen von euch! (…) Macht weiter so! Würzburg hält‘ zamm!“, schreibt sie auch im Namen ihrer Mit-Administratoren Pascal Schmitt, Melina Haimann, Thomas Schmidt, Bernd Frank Schwab, Mary Scherrer, Julia Friesie, Janay Kimberly Rappelt und Florian Nöhrig. Einer aus dieser Community ist Florian Hoffmann vom „Totalen Bamberger Cabaret“ (TBC). Er bietet in der Gruppe seine Hilfe an, weil er als Künstler nun viel freie Zeit hat.

Inge Wollschläger, Seniorenreferentin der St. Johannisgemeinde, ist ebenfalls dabei. Sie möchte über die Gruppe „Post für Senioren­Innen“ auf den Weg bringen und so der zunehmenden Einsamkeit in den Seniorenheimen entgegenwirken. Aus gutem Grund: „Die BewohnerInnen stehen dort derzeit unter Quarantäne oder dürfen als Vorsichtsmaßnahme keinen Besuch empfangen. Manche haben zudem kein Telefon auf ihren Zimmern.“ Die Post kann im Pfarramt St. Johannis, Hofstallstr. 5, abgegeben oder ihr als Privatnachricht geschickt werden. Inspiration gibt sie gleich mit auf den Weg: „Erinnert euch an eure Großeltern und was deren Themen sind. Es muss nichts Großes sein, die Geste der Anteilnahme ist das wichtigste.“

Dieses Anliegen hat übrigens auch das Klinikum Main-Spessart. Via Facebook sind „alle Kinder, aber natürlich auch alle anderen, die Lust haben, unseren Senioren ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern“, aufgefordert, kreativ zu werden: „Schreibt unseren Senioren einen Brief oder eine Karte, malt ein Bild oder bastelt etwas und sendet es per Post an unsere Senioreneinrichtungen in Marktheidenfeld, Gemünden und Karlstadt.“

Sophie Cyborra macht via Facebook ebenfalls auf eine wichtige Initiative aufmerksam. Sie schreibt: „Aufgrund der großen Nachfrage von krebskranken Patienten nach Wohnraum in der Nähe der Kliniken haben wir uns kurzfristig entschlossen, gemeinsam mit dem Hotel Rebstock und dem Hotel Würzburger Hof, für Krebspatienten und ihre Angehörige während der Behandlung Hotelzimmer zur Verfügung zu stellen.“ Bei Bedarf kann sich täglich von 8 bis 20 Uhr an die Telefonnummer 0931.299 850 95 gewandt oder eine E-Mail an info@kampfgegenkrebs.de geschrieben werden.

Unterdessen appelliert die Stiftung Juliusspital Würzburg auf Facebook: „Mit den Lieben in Verbindung bleiben: Unsere Mitarbeiter im Seniorenstift antworten kreativ auf das Coronavirus. Damit die Bewohner, die ja aufgrund des amtlichen Besuchsverbotes aktuell keinen Besuch empfangen dürfen, trotzdem mit ihren Liebsten in Verbindung bleiben können, haben sie das Whats-App-Videotelefonieren eingerichtet.“

Zum „Malen gegen die Isolation“ rufen die Malteser Würzburg auf. Alle zwischen zwei und 18 Jahren sind aufgefordert, für „alte, einsame Menschen“ den Buntstift zu zücken. Die Bilder können direkt an den Malteser Hilfsdienst in Würzburg oder per E-Mail an servicebuero-wuerzburg@malteser.org geschickt werden. Alle Bilder werden im Anschluss fotografiert und auf Facebook, Instagram und auf der Homepage veröffentlicht.

Andere, wie Herbert Schmidt und Peter Wisshofer vom Internetcafé „Von Senioren für Senioren“, setzen sich für dafür ein, ein kostenfreies, ehrenamtliches Angebot bekannt zu machen: Den „Virtuellen Stammtisch gegen Vereinsamung“. Beide hatten sich bereits mit „Zoom“, einer weltweit führenden Webkonferenzsoftware, auseinandergesetzt und nutzen diese nun ebenfalls erfolgreich. Sie sagen: „Was für die Kommunikation bei der Industrie und Verwaltung schon länger möglich ist und auch sehr viel genutzt wird, das müsste auch für die Kommunikation zwischen Älteren möglich sein.“ Erreichbar ist der Stammtisch täglich von 14 bis 14.45 Uhr unter der Adresse https://zoom.us/j/707036410.

Die Stellung für ihre Patienten hält im Augenblick Renée Sielemann in ihrer Praxis für Physiotherapie in Oberdürrbach, um Frisch-Operierte und Schmerz-Patienten zu versorgen. Darüber hinaus werden hier aber auch kleine Videos und zusätzliche Handouts für alle erstellt, „die nicht akut sind und zurzeit zwangspausieren“, erzählt sie. Zeit, um inne zu halten gibt es trotzdem. „Mit meinem Sohn erstelle ich ein kleines Buch als Corona-Tagebuch für später.“

Einen kreativen Weg aus der Krise gibt es mit der neuen digitalen Plattform „Industrial Generation Network“, die am 10. März gestartet ist. Die Vogel Communications Group will damit den Einbruch bei Live-Events kompensieren und die Kommunikation zwischen den Unternehmen aufrechterhalten. „Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Corona-Virus sind eklatant und sicher wird sich die Spur der konjunkturellen Schwächung noch bis zum Jahresende hinziehen“, so Matthias Bauer, CEO Vogel Communications Group GmbH & Co. KG. „Vielleicht ist der Virus bald weg, aber die Folgen für die Unternehmen könnten gravierend sein. (…) gerade jetzt müssen wir die Vernetzung von Themen, Personen und Unternehmen in den Branchen aufrechterhalten.“

Und das scheint zu funktionieren, wie Dr. Gunther Schunk, Head of Corporate Communication des Unternehmens, Ende März berichtet: „Wir haben binnen zweieinhalb Wochen eine unternehmensweite, flächendeckende Home-Office-Fähigkeit hergestellt und dazu neue Softwaretools zur internen Kommunikation und Kollaboration eingeführt und umgehend angewendet. Das war ein Digitalisierungskatalysator sondergleichen. Wir gehen ganz anders aus der Krise heraus, als wir hineingeraten sind! Gut ist, dass diese Erfahrung uns Mut gegeben hat, das auch für unsere umzusetzen. Mit unseren neuen digitalen Angeboten kann man eine ganze Menge kompensieren, was uns zunächst durch die Krise weggefallen ist.“

„Online gegen soziale Distanzierung“ heißt es bei der Volkshochschule Bamberg Stadt. Diese muss momentan wie alle Volkshochschulen ihr Programm unterbrechen. Das Team der VHS ist jedoch dabei, „vhs.daheim“ zu etablieren. Sie senden „einen informativen und unterhaltsamen Impfstoff in pandemischen Zeiten, ein hochkarätiges Programm, das stetig ergänzt wird“, so Thomas Riegg, Fachbereichsleitung Sprachen an der VHS. Zusammen mit anderen bayerischen Volkshochschulen und unterstützt vom bayerischen Volkshochschulverband wird ein Online-Programm mit Vorträgen, Seminaren, Gesprächen erarbeitet, darunter der Astrophysiker Dr. Andreas Müller, der Amerikanist Prof. Michael Hochgeschwender oder der Kriminologe Prof. Christian Pfeiffer, der Anfang März noch im Großen Saal der Bamberger VHS live zu erleben war. Bildungsreferent Dr. Christian Lange sieht die Krise daher auch als Chance: „So dramatisch und tragisch die aktuelle Situation ist, eröffnet sie für uns alle auch einen Raum für Experimente und neue Inspirationen.“ Zu den Live-Streams, Aufzeichnungen oder Webinaren werden jeweils rechtzeitig die Links auf der Homepage der VHS Bamberg Stadt bekanntgegeben. Alle diese Angebote sind gebührenfrei.

„Trost spenden“ will derweil auch „Würzburg liest ein Buch“ und verweist auf die Radiosendung auf Bayern 2 von Max Mohrs Enkel Nicolas Humbert, die derzeit noch als Podcast unter dem Titel „Max Mohr und D.H. Lawrence-Briefe einer Freundschaft“ verfügbar ist.

Beschäftigung für die schulfreie Zeit bietet „Echt kuh-l!“, der bundesweite Schulwettbewerb des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Aufgrund der bundesweiten Schulschließungen wurde der Einsendeschluss verschoben. Bis zum 8. Mai können Schülerinnen und Schüler jetzt noch ihre Beiträge einreichen.

„Aufgrund der rasanten Verbreitung des Covid-19 steht das blühende kulturelle und gesellschaftliche Leben innerhalb weniger Tage komplett still“, mahnt derweil Christian Federolf-Kreppel. Der Leiter des Theaters der Stadt Schweinfurt vergleicht das mit einer Fahrt auf Serpentinen im dichten Nebel: „Es geht nicht vor oder zurück, man ist für eine unbestimmte Zeit nicht handlungsfähig und kann kaum eigene Entscheidungen treffen.“ Das bringe Folgen mit sich, die wir alle noch nicht abschätzen könnten. Die Planungssicherheit, die die Kultur so dringend brauche, sei im Moment Makulatur. „Trotz allem appelliere ich an mich ebenso wie an jeden Kulturschaffenden: Treten wir dem Ganzen mit Geschlossenheit und Stärke entgegen! Durch die gemeinsame Erfahrung dieser komplexen Problematik kann die Kulturlandschaft wieder zusammenwachsen.“ Christian Federolf-Kreppel hält es mit dem französischen Schriftsteller und Philosophen Albert Camus: „Mitten im tiefsten Winter wurde mir endlich bewusst, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer wohnt.“ Seine Worte stimmen nachdenklich. Sie geben aber auch Hoffnung: Denn die Corona-Krise könnte durchaus die Geburtsstunde für eine neue Form des Miteinanders sein.

In Würzburg geht das „Klatschen“ unterdessen unermüdlich weiter. Auch der Radiosender Antenne Bayern fordert dazu auf, jeden Tag um 17 Uhr für eine Minute auf den Balkonen und Terrassen, zu applaudieren. Frei nach dem Motto: Jetzt erst recht!

Bildnachweis: Screenshot Facebook

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