Am Äquinoktium herrscht Harmonie.

von Glosserello (erschienen in Ausgabe 3/2010)

Wenn am 20. März kalendarisch endlich der Frühling beginnt, ereignet sich astronomisch gesehen ein Äquinoktium.

Was nicht nur schön klingt, sondern auch höchst interessant ist. Nur, wir Kinder der Zivilisation, die wir durch die Tage und Nächte hasten, nehmen das kaum wirklich wahr.

Wenn man uns nicht mit der Nase darauf stößt, merken wir nicht einmal, dass ein Äquinoktium ist. Unsere Vorfahren, also die ganz von früher, die noch mehr draußen waren als wir, haben das immer gemerkt.

Ich glaube, sie haben deswegen sogar Orgien gefeiert. Aber da kann ich mich auch täuschen. Jedenfalls waren sie nicht so blöd wie wir, was das Äquinoktium betrifft. Sie haben da den ganzen Tag davon geredet und ihre Kinder und Enkel damit genervt.

„Nur heute“, ein bedeutsamer Tag, denn heute sind die Gegensätze sozusagen in der Balance. Wann sind im Leben die Dinge schon einmal in der Balance? Eigentlich ja nie, aber am Äquinoktium geben sich Tag und Nacht nichts, ist keiner Gewinner und Verlierer, da herrscht irgendwie Harmonie.“ Also da haben die Schamanen gern darauf hingewiesen.

Und sie haben gesagt: „TagundNachtGleiche herrscht im Leben ziemlich selten, Schattenund Sonnenseiten sind kaum ausgeglichen verteilt, Bitterkeit und Süße des Lebens nicht ausgewogen miteinander haben sie gesagt, „heute ist TagundNachtGleiche.

Ist das nicht toll?“, haben sie ständig gefragt. „Nur heute sind Tag und Nacht gleich lang, Hell und Dunkel total ausgeglichen.“ Und die Schamanen haben gesagt: „Heute ist vermischt. So ist das Leben. Also lernt aus dem Äquinoktium etwas für euer Leben, für die Balance und so.“

So ähnlich haben die Schamanen das früher gesagt. Heute steht das mehr in Büchern von Pater Anselm Grün und anderen, aber wir sehen die Welt ja inzwischen auch ein bißchen anders. Und dann gab es ja immer noch eine besonders gute Botschaft: „Von heute an“, sagten die Schamanen und die alten Leute zu ihren Enkeln, „von heute an werden die Tage immer länger.“

Da freuten sich alle riesig, und sie lobten das Äquinoktium und feierten eine Orgie. Doch wie gesagt, das letztere weiß ich nicht so genau, ich möchte da vorsichtig sein. Die besonders schlauen Kinder machten dann ein besonders schlaues Gesicht und sagten: „Wenn die Tage jetzt immer länger werden, dann ist bald überhaupt keine Nacht mehr und wir müssen überhaupt nicht mehr ins Bett?“

Da machten dann die Schamanen und alten Leute ein ziemlich säuerliches Gesicht und sagten: „Jetzt, Kinder, lernt noch etwas über das Leben. Denn es gibt immer einen Haken im Leben. In diesem Fall müssen wir euch leider sagen, es gibt auch noch ein Äquinoktium im Herbst.

Da sind zwar Tag und Nacht noch einmal gleich lang, aber dann werden die Tage blöderweise wieder kürzer. Wir feiern deshalb dann auch keine Orgie. Tja, Kinder, so ist das Leben. Wenn’s mal gut läuft, ist das Ende auch schon wieder abzusehen.“

Übrigens, das HerbstÄquinoktium ist in diesem Jahr am 23. September. Carpe diem!

Bildnachweis: Privat

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