Kommunikation ohne Grenzen

von Glosserello (erschienen in Ausgabe 4/2010)

Wir leben in einer Zeit, in der der Kommunikation schier keine Grenzen gesetzt sind. Fast in Echtzeit können wir über das Worldwideweb alles posten, was wir Anderen mitteilen wollen. Facebook (gedacht als soziales Netzwerk im web) und Twitter (Kurznachrichtendienst im Netz - unter 200 Zeichen) lassen grüßen… Doch wächst dadurch die Verständigung untereinander oder gar das Verständnis füreinander oder produzieren wir nur redundanten Datenmüll, der im „Normalfall“ im Spamfilter gelandet wäre? Der in Wien geborene und in Cambridge verstorbene Philosoph Ludwig Wittgenstein hat bereits vor facebook und twitter einen Gedanken in den Orkus geschickt, der auch heute noch Gültigkeit besitzt: „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt.“ Egal, wie viele „messages“ wir produzieren, effektive Kommunikation geht anders. Erfolgreiches Kommunizieren hat neben der Sachebene immer auch eine Beziehungsebene, die nachgewiesenermaßen die Sachebene dominiert (nicht nur bei Frauen!). Erfolgreiche Kommunikation jenseits eines mechanischen Sender-Empfängermodells lebt von Wertschätzung des Kommunikationspartners (nicht nach dem Motto: wenn ich Andere erniedrige, erhöhe ich mich). Sie lebt von Authentizität. Gemeint ist die Fähigkeit, sich so zu geben, wie man wirklich ist und zu seinen echten Ansichten und Empfindungen zu stehen. Durch Authentizität unserem Kommunikationspartner gegenüber zeigen wir Kongruenz von Person und Botschaft, die Vertrauen schafft (in vielen massenmedial „versendeten“ Diskussionsrunden möchte man bisweilen die Boten nicht nur wegen ihrer Botschaft erschießen, sondern vor allem wegen eben dieser fehlenden Kongruenz, die sie unglaubwürdig daher kommen lässt. Sie sind nicht authentisch, nur rhetorisch nahezu gut geschult (fast getroffen, ist aber leider doch vorbei am „Ziel“ Glaubwürdigkeit). Vielleicht hat dieses Phänomen ja auch mit der Politikverdrossenheit und fehlenden Wahlbeteiligung bei demokratischen Prozessen zu tun? Effektive Kommunikation baut neben Wertschätzung und Authentizität noch auf einen dritten Eckpfeiler auf, die Empathie. Zu viele Kommunikationsprozesse sehen nur den eigenen Standpunkt, starr den Blick darauf gerichtet, was will ich mit welcher Wirkung kommunizieren, damit dies und jenes als Resultat daraus hervorgeht. Auch diese Spielart der „Kommunikation“ ist weit verbreitet, vor allem auf politischem Parkett, regional wie überregional. Man nennt das euphemistisch auch „strategische Kommunikation“, was mit echter Kommunikation genauso viel zu tun hat wie Käse mit Analogkäse. Exkurs: Analog-Käse: sieht aus wie Käse, schmeckt wie Käse, aber ist gar kein Käse, denn laut Inhaltsangabe wird Analog-Käse nicht aus Milch hergestellt, sondern besteht aus Eiweißpulver, Wasser, Pflanzenfett und Geschmacksverstärkern. Strategische Kommunikatoren befinden sich oft in Machtpositionen und haben Angst, sie könnten diese verlieren, daher sehen sie sich gezwungen, strategisch zu kommunizieren und nicht diskursiv zu handeln, was eine Abkehr von der Nabelschau und ein Einlassen auf den Anderen voraussetzen würde. Ähnlich wie beim Analogkäse hören sich diese Äußerungen in Wort und Schrift an wie echte Anliegen. Werden auch mit echten Euphemismen, Oymora und Paradoxien dargeboten und sind auf eine Etymologie der Worte zurückzuführen, haben aber das „Etymo“ (griech. „wahr“) längst eingebüßt. Salvator Dali hat es folgendermaßen formuliert: „Eines Tages wird man offiziell zugeben müssen, dass das, was wir Wirklichkeit getauft haben, eine noch größere Illusion ist als die Welt des Traums“. In diesem Sinne „let´s go online“, lasst uns posten, twittern und publizieren, was das Zeug hält, egal wen es interessiert und was es kostet…

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