Der deutsche Pavillon in Shanghai und ein Würzburger Expo-Führer

von Renate Freyeisen (erschienen in Ausgabe 7-9/2010)

Außenansicht des deutschen Pavillons auf der Expo in Shanghai, Führer Shi Hongtian und Blick in das Innere der "Stadt im Gleichgewicht"

Irgendwie klingt die Sprache würzburgerisch – doch Shi Hongtian ist unverkennbar Chinese, allerdings mit deutschem Pass. Der groß gewachsene 25jährige Führer durch den deutschen Pavillon auf der gigantischen Expo in Shanghai erzählt gerne von seiner Zeit am Main, dem „Schneckentempo“ dort im Gegensatz zur quirligen Boomtown hier um ihn herum. Mit acht Jahren kam er nach Deutschland, genauer nach Oberdürrbach, studierte nach dem Abitur erfolgreich an der Würzburger Fachhochschule Medienmanagement; seine Eltern, die im Beethovencenter ein Speiselokal betrieben hatten, wohnen heute noch in Kürnach. Ihn aber zog es nach Shanghai, woher seine Vorfahren stammen; weil dort die größte Weltausstellung aller Zeiten angekündigt war, bewarb er sich für den German Pavilion und wurde sofort aus der Schar von 3.500 Aspiranten auf die begehrten 234 Plätze ausgewählt. Denn er kennt sich bestens aus im Internet, beherrscht den Shanghaier Dialekt und weiß vor allem Bescheid über gutes Essen und tolle neue Lokale, was seine Mitarbeiter im Team sehr schätzen. Der deutsche Pavillon ist mittlerweile der „Renner“ unter den vielen riesigen Ausstellungshallen auf dem 3,28 qkm großen Expo-Gelände beidseits des Huangpu-Flusses. Wenn früh um 9 Uhr geöffnet wird, stehen schon lange Schlangen an den Einlässen und lassen geduldig die nervigen Sicherheitskontrollen über sich ergehen. Kaum tun sich die Sperren auf, rennen vor allem die chinesischen Besucher wie um ihr Leben zum deutschen Pavillon, um dann noch mindestens vier Stunden anzustehen, um endlich hineinzugelangen in das futuristische Gebilde von 20 Metern Höhe, eine kantige Skulptur, bespannt mit einer transparenten silberfarbenen Membran, auf den Freiflächen bewachsen mit einem speziellen Gras. Täglich können bis zu 45.000 Menschen den deutschen Pavillon besuchen, der „eine Stadt im Gleichgewicht“ zeigen möchte. Den Eingangsbereich markieren deutsche Tourismus-Ziele, so Neuschwanstein samt Ludwig II. und Sissi (lebendig) – Erinnerungsfoto gefällig? - , aber auch andere deutsche Spezialitäten wie Gartenzwerge sind nicht vergessen. Über einen ansteigenden Weg, Rampen, Fahrsteige, Rolltreppen und durch Plätze, sogar über eine Rutschbahn gelangt man in die einzelnen Bereiche, die Wohnen, Arbeiten und Entspannen in der Stadt der Zukunft vorstellen, natürlich begleitet von deutschen Produkten und neuester „sauberer“ Technologie, durch interaktive Spielmöglichkeiten und Ansprechen aller Sinne erfahrbar. Herz und Höhepunkt des Ganzen ist die „Energiezentrale“. Hier verteilen sich die Besucher auf drei kreisrunde Ränge und erleben, dass sie selbst durch Rufen und Klatschen eine riesige Kugel in Bewegung setzen und Bildwelten der Zukunft auf ihrer Oberfläche – mit 400.000 LEDs besetzt – entwerfen können. So etwas lieben vor allem die Chinesen, und so ganz nebenbei wird ihnen klar gemacht, was das Motto der Weltausstellung „better city – better life“ bedeutet. Übrigens ist Unterfranken auch im Rahmen des Kulturprogramms bestens repräsentiert: Im erstmals in China aufgeführten „Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner singt im September die bekannte Sopranistin Brigitte Wohlfahrt die Brünhilde in Shanghai.

Bildnachweis: Architektur Schmidhuber + Kaindl / Ausstellung Milla & Partner

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