Richard Wagners „Götterdämmerung“ in Würzburg

von Lothar Reichel (erschienen in Ausgabe 5/2019)

Bereits Richard Wagner hatte damals mit dem Ende begonnen.

Lange bevor ihm die wirklichen Ausmaße seines vierteiligen Musikdramas „Der Ring des Nibelungen“ klar waren, hatte er den Text zu „Siegfrieds Tod“ verfasst – der Versuch, in Anlehnung an die griechische Tragödie der Antike germanische Mythologie mit gesellschaftskritischen Entwürfen des 19. Jahrhunderts zu verbinden. Musik komponierte er dazu nicht, er weitete textlich das Ganze immer mehr aus, erzählte die Vorgeschichte der Handlung und schließlich die Vorgeschichte zur Vorgeschichte.

In einem langen Schaffensprozess entstand so ein monumentales Werk, das im „Rheingold“ mit dem Raub des verhängnisvollen Goldschatzes beginnt und in der „Götterdämmerung“ ein apokalyptisches Ende findet. Die Musik komponierte er allerdings in der chronologischen Reihenfolge, beginnend mit einem mystischen „Ur-Akkord“ und endend mit verklärenden Klängen, die vielleicht Verlöschen, vielleicht Hoffnung auf einen Neubeginn andeuten.

Auch das Mainfrankentheater beginnt am 26. Mai mit dem Ende und stellt – zum ersten Mal nach weit über einhundert Jahren – die „Götterdämmerung“ in Würzburg auf die Bühne. Ob daraus im Lauf der Zeit ein ganzer „Ring“ werden wird, bei dem alle vier Werke hintereinander aufgeführt werden, bleibt im Augenblick noch ominöse Andeutung, ist aber wahrscheinlich. Schließlich ist in Würzburg der weltweit größte Richard-Wagner-Verband beheimatet, und einen „Ring des Nibelungen“ im Portfolio zu haben, ist so etwas wie Verpflichtung und Ehrensache.

Immerhin haben in den letzten Jahrzehnten viele Opernhäuser mittlerer Größe bewiesen, daß ein solches Monumentalprojekt durchaus möglich und nicht nur Bayreuth und den großen Häusern vorbehalten ist. In Würzburg kommt bei der neuen „Götterdämmerung“ als Besonderheit übrigens dazu, daß Generalmusikdirektor Enrico Calesso eine musikalische Fassung aufführen wird, die nicht einfach den Orchesterapparat in den einzelnen Stimmen reduziert, sondern für ein mittelgroßes Orchester eigens erstellt wurde. Das hat es so bisher noch nicht gegeben.

Bildnachweis: Nik Schötzel

Anzeigen