Seit zehn Jahren dirigiert Enrico Calesso in Würzburg am MFT

von Lothar Reichel (erschienen in Ausgabe 03/2020)


Die Neuigkeit vorneweg: Würzburgs Generalmusikdirektor Enrico Calessso erweitert sein berufliches Spektrum und wird ab Herbst 2020 ständiger Gastdirigent im österreichischen Landestheater Linz. Dort hat er bereits Neuproduktionen von „Don Giovanni“ und „Il trovatore“ geleitet und dort kann er dann auch endlich mit der „Aida“ debütieren und sein Verdi-Repertoire weiter vervollständigen.

Er war ja auch schon bisher außerhalb Würzburgs gut unterwegs, hat am legendären Teatro La Fenice in Venedig, in Florenz und an der Oper Leipzig gastiert. Immer wieder mit „La Traviata“ übrigens - einem Stück, das dem gebürtigen Italiener natürlich am tiefsten Herzen liegt. Und im Gespräch verrät er, was auf seiner Wunschliste ganz oben steht: Verdis Meisterwerk endlich auch in Würzburg dirigieren zu können - merkwürdig eigentlich, dass sich das in den zehn Jahren seiner Zeit am Mainfrankentheater bisher nicht realisieren ließ. Aber wie es aussieht, wird Enrico Calesso trotz seiner vielen Gastdirigate Würzburg ja noch erhalten bleiben. Zumindest hat Oberbürgermeister Schuchardt eben verlauten lassen: „Wir stehen bereits über die turnusmäßige Verlängerung seines hiesigen Vertrages, die sich beide Seiten wünschen, in Verhandlung.“

Sich so lange an ein Haus zu binden, ist in der Dirigentenbranche heutzutage eher unüblich. Als Erster Kapellmeister wechselte Calesso 2010 von Erfurt nach Würzburg; der Wunsch, ihn nach einem Jahr zum Generalmusikdirektor zu berufen, kam, wie er betont, aus dem Haus und dem Orchester heraus. „In Würzburg war etwas zu bewegen“, sagt er heute rückblickend. Und: „War damals zu erwarten, dass wir hier eine 'Götterdämmerung' machen?“ Genau das aber ist geschehen, und noch einiges mehr. Die intensive Wagner-Pflege des MainfrankenTheaters wurde auch unter der Ägide Calessos weiterbetrieben und findet gerade mit dem „Rheingold“ einen weiteren Höhepunkt. „Ich brenne bei Wagner wie bei Verdi“, erklärt er und erläutert begeistert, wie er sich der angeblich so deutschen Musik Wagners von der Sprache her annähert, beispielsweise die Rolle der Konsonanten im Stabreim der „Ring“-Texte auf ihre musikalische Bedeutung hin analysiert. In der symphonischen Musik sind die Werke von Johannes Brahms für ihn der Gipfel, dem er sich mit großem Respekt nähert. Überhaupt ist ja der Dirigent Enrico Calesso an vielen Themen interessiert und hat in Venedig auch Philosophie studiert.

Zum Dirigieren selbst kam er sehr spät, er konzentrierte sich zunächst auf Orgel, Klavier und Komposition. Aber dann entdeckte er die Leidenschaft, Partituren in Klang zu bringen und absolvierte in Wien ein Dirigentenstudium. Begonnen hat das mit der Oper übrigens schon früh: Ganze fünf Jahre war er alt, als ihn seine Eltern zum ersten Mal mit in ein Theater nahmen. Und was stand da auf dem Spielplan? Natürlich „La Traviata“…

Bildnachweis: Falk von Traubenberg

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