Musikforscher Professor Friedhelm Brusniak über Chorforschung an der Würzburger Universität

von Pat Christ (erschienen in Ausgabe 2/2019)

Friedhelm Brusniak mit Druckfahnen des neuen „Lexikon des Chors“. Zum Museumsbestand gehören auch die ältesten Chorzeitschriften der Welt.Zum Jahres Auftakt widmet sich unser Spezial auf der Suche nach Wahrheit dem Singen.

Anders als beim Sport, braucht man beim Singen kein teures Equipment. Das Wetter spielt keine Rolle. Vor allem „kämpft“ man nicht alleine: Im Chor zu singen, bietet dem Würzburger Musikforscher Friedhelm Brusniak zufolge eine Menge Vorteile. Chorgesang, sagt er, stärke den Menschen auf vielfältige Weise. Warum und wie genau, um diese Fragen wird es auch im neuen „Lexikon des Chors“ gehen, an dem Brusniak als Leiter des Forschungszentrums des Deutschen Chorwesens gerade arbeitet.

Friedhelm Brusniak betreibt seit vielen Jahren die Chorforschung. An der Uni Würzburg tut er dies seit neuestem sogar auf zweifache Weise. Zum einen als Inhaber des Lehrstuhls für Musikpädagogik. Zum anderen als Leiter des Forschungszentrums des Deutschen Chorwesens, das seit kurzem An-Institut der Würzburger Uni ist.

„Mit dieser Entscheidung wird anerkannt, dass wir im Chorforschungszentrum Wissenschaft im Geiste einer Universität betreiben“, sagt der Musikpädagoge.
 
In das Lexikon, das mehr als 800 Stichworte zu allen Fragen rund um das Chorwesen enthalten wird, fließen nicht nur die wissenschaftlichen Erkenntnisse des Professors aus den vergangenen Jahrzehnten ein. Brusniak sammelte außerdem reiche praktische Erfahrung als Chorsänger, Chorleiter und Gründer mehrerer Chöre. Schon als kleiner Junge sang er im Chor: „Und schon damals habe ich gespürt, wie gut es tut, in Gemeinschaft mit anderen zu singen.“

Friedliche Freizeitbeschäftigung

Der Knabe von einst dachte freilich nicht lange darüber nach, warum er sich während und auch nach den Chorproben so gut fühlte. Er genoss es einfach. Viel später erst interessierte Brusniak als Forscher, welche Faktoren dazu beitragen, dass das Chorsingen so positive Effekte hat. Die Wahrheit über das Singen, respektive die Chorforschung, erklärt der Wissenschaftler, berücksichtigt sowohl kulturelle und historische als auch soziale, psychologische und pädagogische Aspekte. Vor allem psychologische Fragen sind spannend: Warum ist der Chorgesang, gerade im Vergleich zum Fußball, eine so „friedliche“ Freizeitbeschäftigung? Was trägt dazu bei, dass Chorsänger, will man es denn so ausdrücken, mit der Zeit „bessere Menschen“ werden? All dies hat Gründe.
 
Gleich unter Gleichen

Da ist zum einen die Tatsache, dass jedes Mitglied einer Chorgemeinschaft gleich unter Gleichen ist. Die Bankerin singt neben dem Verkäufer, der Arzt neben der Krankenschwester. Allein das trägt zum Wohlfühlen bei. Durch Singen können außerdem die unterschiedlichsten Gefühle bewältigt werden: Trauer, Freude oder Wehmut. Vor allem aber machen die in die Chorproben integrierten Körper- und Stimmbildungsübungen das Chorsingen so gesund.

Chorsänger, so Brusniak, haben oft eine besondere, selbstbewusste Ausstrahlung. Ihre Stimme ist trainiert. Sie wissen, gut mit ihr umzugehen: „Nicht zuletzt lernt man im Chor, anderen zuzuhören.“ In vielen Fällen gewinnen Chorsänger an Kommunikationsfähigkeit. Sie werden laut Brusniak als angenehme Gesprächspartner geschätzt, da sie wissen, wann sie sich zurückhalten, aber auch, wann sie sich stimmlich einbringen sollten.

Bildnachweis: © Pat Christ

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