Was war, was ist, was sein wird… im Jubiläumsjahr des Würzburger Kultfestes

von Renate Freyeisen (erschienen in Ausgabe 05/2021)

Der Frühsommer in Würzburg ist seit etwa 100 Jahren geprägt von besonders festlicher Stimmung durch das Mozartfest, auch wenn zum Jubiläum 2021 Corona manches ausbremst. 1921, als der neu ernannte Direktor des Konservatoriums Hermann Zilcher eine Musik- und Theaterwoche ins Leben rief und bei der Aufführung von Mozarts berühmter Motette „Exsultate, jubilate“ eine „innige Vermählung zwischen Ton, Architektur und Farbe“ im prachtvollen Kaisersaal der soeben für die Öffentlichkeit zugänglichen Residenz verspürte, schlug die Geburtsstunde des ältesten Mozartfestes in Deutschland.

Für viele bot sich damals nach den schwierigen, gesellschaftlich unsicheren Zeiten eine Art befreiende Orientierung hin auf Kunst und Kultur. Zilcher, ein großer Mozartverehrer und anerkannter Komponist, konnte ab 1928 auch eigene Werke aufführen. Zu seinem Konzept gehörten neben den Örtlichkeiten wie dem prunkvollen Kaisersaal, der Treppenanlage mit Tiepolos Deckenfresko und dem Hofgarten festliche Orchesterkonzerte, Kammermusik, geistliche Musik, Teekonzert und Nachtmusik. Ab 1924 wurde auch das damalige Stadttheater mit Opernaufführungen eingebunden. Dass aber Mozart ab den 1930er Jahren als „zeitloses“ Genie gefeiert und immer mehr von der Nazi-Propaganda vereinnahmt wurde, änderte die Ausrichtung des Mozartfestes.

Die nationalistisch-patriotischen Töne verstärkten sich, etwa bei den beim breiten Publikum beliebten Schäferspielen und Tanzdarbietungen auf dem Rasenrondell im Garten, und noch 1943 rühmte das Programmheft die „deutsche Seele“ des Festes bis am 16. März 1945 die Würzburger Innenstadt durch den Luftangriff fast völlig zerstört wurde und mit ihr auchdie Residenz. Erst nachdem deren Mittelbau 1950 wieder überdacht war, plante die Stadt eine Wiederaufnahme des Mozartfestes. Entscheidend dafür war der Einsatz von Eugen Jochum mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. 1951 konnte das Mozartfest nach dem Krieg erneut durchstarten mit dem „Tanzenden Schäfer“ als Symbolfigur auf dem Plakat; 1952 fanden die Nachtmusiken noch vor leeren Fensterhöhlen statt. Aber die Würzburger waren begeistert und rissen sich um die begehrten Karten. Vor dem Ticketverkauf im Falkenhaus bildeten sich lange Schlangen; manche kampierten sogar nachts im Schlafsack auf dem Marktplatz, bis sich endlich die Türen zum Kartenbüro öffneten. Wer da nicht eine Eintrittsberechtigung zu den Kaisersaalkonzerten ergattert hatte, konnte sich wenigstens mit dem Erwerb von Promenadenplätzen für die Nachtmusiken trösten. Dahin strömten Tausende bei gutem Wetter, und schnell bürgerte sich das Mitbringen von Decken und Sitzgelegenheiten und schließlich das Picknicken ein.

Mittlerweile aber hat sich das Mozartfest in vielerlei Hinsicht gemausert, nicht nur räumlich über die Residenz hinaus, also auch zu Bruckner im Dom und zu ungewöhnlichen Orten wie dem Golfplatz, bis über die Stadtgrenzen hinaus ins Kloster Bronnbach bei Wertheim, sondern auch zeitlich zu vier Wochen Dauer und zu neuen inhaltlichen Schwerpunkten. Da gibt es, initiiert von Intendantin Evelyn Meining, nun „moderne“ Experimente wie etwa Breakdance zu Mozart-Klängen oder Gesprächs- und „Labor“-Formate wie im Kloster Himmelspforten und immer wieder Vergleiche mit anderen, auch zeitgenössischen Komponisten. Neben Super-Interpreten können die Mozartfreunde auch aufstrebende Talente am Klavier oder Weltstars im Gesang wie Diana Damrau bewundern, die hier einst in der wieder entdeckten Salieri-Oper „Kublai Khan“ für ein Aufsehen erregendes Debüt sorgte. Alles ist etwas „demokratischer“ geworden: Neben dem „Mozarttag“ für alle hat sich auch die Garderobe für die Festgäste und die städtischen Ordner gewandelt zu Tragbarem bei der sommerlichen Schwüle in den historischen Räumen.

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Das aktuelle Programm im Jubiläumsjahr richtet sich nach den jeweils aktuellen Pandemiebestimmungen und ist einsehbar unter www.mozartfest.de

Bildnachweis: ©Erika Mayer

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