Leporello im Gespräch mit dem preisgekrönten Sänger und Schauspieler Ulrich Tukur

von Nicole Oppelt (erschienen in Ausgabe 11/2011)

Zu sehen sind Ulrich Tukur & Rhythmus Boys am 27. Januar 2012 um 20 Uhr in der Musikhochschule Würzburg.Als Ulrich Tukur den Hörer abnimmt, ist er gerade dabei, sich „in die Vertikale zu begeben“. Scherzend begrüßt der preisgekrönte Sänger und Schauspieler Leporello am Telefon.

Der 54jährige hat am 23. September sein neuestes Album „Musik für schwache Stunden“ herausgebracht. Momente, die er sehr schätze, aber nur sehr selten erlebe. Von einem Berliner Hotelzimmer aus nimmt er Leporello deshalb mit in ein Lebensgefühl, das vielen, wie er meint, abhanden gekommen sei.

Diese schwache Stunde, sie hat etwas somnambules, ist irgendwie entrückt: Ob ihm ein solcher Schwebezustand gefällt? „Das ist doch das Herrlichste, wenn man sich aus jeglichen Verantwortlichkeiten begibt und als Mensch einfach nur mal da ist“, gesteht er frei heraus.

Nicht nur in der Musik, auch im Booklet der neuen Platte hätten er gemeinsam mit Ulrich Mayer, Günter Märtens sowie Kalle Mews diese verewigt. Zargreb 1972, Tokio 1964, New Jersey 1939: Stets sähe man Vier in einer verlorenen Situation stecken und trotzdem weitermachen.

Die Mixtur, die das Quartett in ihrem Potpourri aus Songs der 30er bis 60er Jahre bereithält, ist beschwingt und nachdenklich zugleich. Unter Zugzwang, das merkt der Zuhörer sofort, ist dieses Album nicht entstanden.

Seinen Anfang nahm es vielmehr in einem großzügigen Anwesen mitten in den Apeninnen. „Wir sind vier Freunde, die eine große Passion haben für eine bestimmte Art von Musik“, beschreibt Tukur die Ausgangssituation. Gutes Essen, gute Getränke, die Gedanken und musikalischen Spielräume waren frei.

„Wichtig ist, wenn man diese alten Sachen macht, dass man sie zu sich übernimmt, dass man versucht sie authentisch neu zu interpretieren und dass man sie nicht so ganz ernst nimmt. Sonst ist das aufgegossener Kaffee“, erklärt er die Kunst mit vermeintlich „alten“ Stücken eben nicht zu langweilen. Doch warum ist diese Musik noch immer so beliebt? Ist es die Sehnsucht nach einer heilen Welt? „Es war ja alles andere als eine heile Welt.

Als einige dieser Lieder eingespielt wurden, da brannte ganz Europa“, beleuchtet Tukur den historischen Hintergrund. „Trotzdem glaube ich, haben die Menschen etwas heraus gehabt, was wir im Laufe der Jahrzehnte vergessen haben. Im Angesichts all dieser unglaublichen Nöte haben sie sich eine Form bewahrt, die elegant war.

Sie haben versucht, das Beste daraus zu machen. Das ist etwas, was vielen Menschen fehlt. Dass man dieses kurze Leben, dieses absurde Theaterstück, das wir alle gemeinsam durchzustehen haben, dass man das ein bisschen hübscher macht als es eigentlich ist.“ Geht es denn für Tukur noch hübscher? Natürlich!

Dann müsste es aber entweder mit Weinbau oder Gastronomie zu tun haben, gesteht er, nicht ohne dabei auf Leporellos Geburtsstadt Würzburg zu schielen. „Ich liebäugle mit einer kleinen Trattoria, aber dafür lasse ich mir noch ein paar Jahre Zeit.“ Denn noch möchte er auf keine der beiden Künste verzichten. Am schmerzlichsten würde ihm jedoch der Abschied von der Musik fallen.

„Ich bin zwar da nicht der Experte, eher ein gehobener Dilettant oder Hochstapler, aber das ist meine Passion.“

INFO: www.rhythmus-boys.de

Bildnachweis: Katharina John

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