"Leporello" im Gespräch mit den Prinzen über ihr "Deutschland-Lied"

von Susanna Khoury

Von Schulterklopfen bis "Nestbeschmutzer" reichte die Bandbreite der Reaktionen auf das am 27. August 2001 ver- öffentlichte "D-Lied". Wir wollten wissen, was sie sich denn beim Texten des "D-Liedes" gedacht haben?

"Viel", betont Henri Schmidt von den Prinzen. "Am neuen Album haben wir sehr lange gearbeitet." Sie waren zum Texten auf Kuba und Sardinien und dabei heraus gekommen ist unter anderem "Deutschland". "Wochenlang haben wir über das Lied diskutiert", so die Tenorstimme der Gruppe. Also der Vorwurf von Thürin- gens Kultusministers, Michael Krapp, das Lied sei unüberlegtes pubertäres Gestammel, ist damit schon einmal widerlegt. "Wir haben über Leitkultur, wie populistisch viele Politiker sich zu Wort melden, über Doppelmoral und Heuchelei in Deutschland diskutiert", so der Sänger Sebastian Krumbiegel. Und sie wussten, egal wieviel Gedanken sie sich machen, es wird Leute geben, die wollen das Lied falsch verstehen.

"Wo Applaus ist, sind auch Pfiffe!"

"Wir mögen Deutschland, aber wir sind auch kritisch. Genau wie wir uns mit unseren Kindern (die meisten der Prinzen sind Fami- lienväter) auseinandersetzen, weil wir sie lieben, so machen wir das mit unserem Land", so der Popbarde Schmidt aus Leipzig. "Das Lied ist Satire, vielleicht böser Spott", insistiert Krumbiegel, "aber es ist nicht gegen Deutschland, nur gegen die, die es an- geht." Auf der Bühne hat Krumbiegel beim "D-Lied" eine schwarzrote Kordel um den Hals und Tobias Künzel einen Eimer in Deutschland-Farben auf dem Kopf. "In dem Moment, wo wir das Lied öffentlich machen, das wussten wir vorher, müssen wir auch mit den Reaktionen umgehen", so das glasklare Statement des Profimusikers. "Wo Applaus ist, sind auch Pfiffe", resümiert Henri Schmidt. "Natürlich wissen wir", sagt Tobias Künzel, "dass die meisten Deutschen nicht fröhlich in einen neuen Krieg mar- schieren würden. Aber wenn man die alltägliche Aggression ver- folgt, die bissige Humorlosigkeit und Intoleranz - all das ist auch ein Stück tagtäglicher Krieg."

Kein webekompatibles Weghörlied

Und die Prinzen singen über "Tagtägliches", deswegen sind ihre Texte so nah und gehen so tief rein. Zeitgeist ist das Stichwort. Sie prangern Missstände an und sind unbequem, manche sagen auch sie sind widerborstig, aber immer sprechen sie eine deutliche Sprache. "Du musst in maximal drei Minuten plakativ sein und du kannst nicht jede versteckte Ironie erklären. Ansonsten müssten wir ein Buch mit Interpretationen zu unseren Songs herausgeben." Und das kann es ja auch nicht sein. Der "D-Song" ist kein werbe- kompatibles Weghörlied, er polarisiert. Aber das sollte nach Mei- nung der Majestäten jedes gute Lied tun. "Es war uns klar, dass uns bei diesem Lied nicht 82 Millionen Deutsche Beifall klatschen werden", so der rote Prinz Krumbiegel. Aber vielleicht wollen sie das ja auch gar nicht immer. Sie leben seit elf Jahren in dieser Be- setzung den Spagat zwischen Anspruch und Geschäft und je nach- dem schlägt mal der Zeiger in die ein oder andere Richtung aus.

Liaison von Macht und Verantwortung

Die Prinzen sind nicht politisch. Ihr wesentliches Anliegen beim "D-Lied" war, eine Diskussion auszulösen, zum Nachdenken an- zuregen und sei es auch nur für drei Minuten. Nachdenken zahlt sich zwar nicht immer aus, aber es lohnt sich stets. Sie wissen, dass sie in ihrer "Prinzen-Rolle", enorme Macht haben (Bundes- kanzler Schröder meinte, er beneide sie, weil sie in drei Minuten mehr Menschen erreichten als er in etlichen Reden). Aber sie sind sich auch der damit verbundenen Verantwortung bewusst, betont Prinz Henri. Sie haben Singen wie eine Muttersprache gelernt im berühmten Thomanerchor in Leipzig. Sie haben dann die sakrale Chortradition mit professionell produzierter Popmusik verschmol- zen und herausgekommen sind Titel wie "Alles nur geklaut", "Küssen verboten" oder eben "Deutschland". Das Lied, mit dem sie richtig für Furore sorgten, das sie bei der Eröffnung des Kanz- leramtes in Berlin spielten und das sich nach Erscheinen 20 Wo- chen in den TOP 20 der offiziellen Media Control Single-Charts behauptete. Insgesamt haben sie über fünf Millionen verkaufte Tonträger aufzuweisen, was sie zur erfolgreichsten deutschen Band macht.

Till Eulenspiegel als "Prinzen-Rolle"

Pop-Adel verpflichtet halt doch zur Provokation und das genau das soll es sein, das "Deutschland-Lied", provokativ, satirisch, ironisch und keinesfalls als "Sozialprogramm oder Anklage" zu verstehen. Sie monieren drei Strophen lang Arroganz, falschen Stolz, Scheinheiligkeit, und vor allem Dummheit. "Wir haben eine Meinung, und die äußern wir ohne erhobenen Zeigefinger. Die Sprache der Popmusik ist heute so, dass man kurz und prägnant Informationen rüberbringen muss, sonst fällt man hinten runter." Mainstream zu sein und sich dennoch selbst treu zu bleiben ist hier die Kunst. Mit dem "D-Lied" haben die Prinzen wieder mal bewiesen, dass das geht. Die Anwärter auf den Thron des A-cap- pella-Gesangsstils sind sich ihrer "Prinzen-Rolle" als alter Ego am Hof schon bewusst, auch wenn sie immer wieder unterstreichen: "Wir sind doch nur Entertainer."

"Deutschland" Songtext

Musik und Text.
Steve van Velvet/Die Prinzen Warner/Chappel/Boogie Songs

Natürlich hat ein Deutscher "Wetten dass" erfunden
Vielen Dank für die schönen Stunden
Wir sind die freundlichsten Kunden auf dieser Welt
Wir sind bescheiden - wir haben Geld
Die allerbesten in jedem Sport
Die Steuern hier sind Welt- rekord
Bereisen Sie Deutschland und bleiben Sie hier
Auf diese Art von Besuchern warten wir
Es kann jeder hier leben, dem es gefällt
Wir sind das freundlichste Volk auf dieser Welt

Nur eine Kleinigkeit ist hier verkehrt
Und zwar, dass Schumacher keinen Mercedes fährt

Das alles ist Deutschland - das alles sind wir
Das gibt es nirgendwo anders - nur hier, nur hier
Das alles ist Deutschland - das alles sind wir
Wir leben und wir sterben hier

Es bilden sich viele was auf Deutschland ein
Und mancher findet es geil, ein Arschloch zu sein
Es gibt manchen, der sich gern über "Kanaken" be- schwert,
Und zum Ficken jedes Jahr nach Thailand fährt
Wir lieben unsere Autos mehr als unsere Frau´n
Den deutschen Autos können wir vertrau´n
Gott hat die Erde nur einmal geküsst
Genau an dieser Stelle, wo jetzt Deutschland ist
Wir sind überall die besten -natürlich auch im Bett
Und zu Hunden und Katzen besonders nett

Das alles ist Deutschland ...

Wir sind besonders gut im
Auf-die-Fresse-hau´n
Auch im Feuerlegen
kann man uns vertrau´n
Wir steh´n auf Ordnung und Sauberkeit
Wir sind jederzeit für
´nen Krieg bereit
Schönen Gruss an die Welt,
seht es endlich ein
Wir können stolz auf Deutschland...
Schwein!

Das alles ist Deutschland ...

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