Das Herz schlägt. Es schmerzt, es stolpert, es sehnt sich. Es hämmert, es hüpft, es zerbricht und zerfließt. Es sitzt am rechten Fleck. Es schlägt bis zum Hals oder schmilzt. Es verströmt sich in Herzeleid. Es ist die Essenz in Unmengen von Zitaten, von Sprichwörtern, kommt in Liedern und Opernarien vor.
Mit allen Facetten dieses rhythmischen Geräuschs, das das Menschsein vom ersten bis zum letzten Atemzug begleitet, beschäftigt sich die Produktion „Herzschlag“ des „kollektiv anderer tanz“, das unverfälscht den Zustand individuellen Befindens offenbart. Dazu hat sich Choreograf Thomas K. Kopp für die erste Vorstellung an der neuen Spielstätte - nach 18 Jahre „Tanzspeicher“ ist er mit seiner Crew in die „Theaterhalle am Dom“ umgezogen - ein sehenswertes Stück ausgedacht und 80 abwechslungsreiche Minuten (ohne Pause) aus Bewegung, Sprache und Satire geschaffen. Um den Herzschlag zu beschreiben, nutzt er alle Möglichkeiten, die ihm der Raum im Untergeschoß des Museums bietet, lässt Licht fließen, Videoinstallationen wirken (Videodesign: Indra Anders), und auf der Bühne immer wieder neue, spannende oder sich wiederholende Momente entstehen, die die ideenreiche Auseinandersetzung mit dem Lebenselixier „Herz“ sehenswert machen. Zu Soundschleifen und Klangbildern bewegen sich die in lange graue Hoodies mit Kapuze gekleideten Akteurinnen Sophie Charlotte Becker (München), Sonja Golubkowa (München) und Yana Madriyani (Frankfurt) mal sanft, mal übermütig. Sie zeigen die Sehnsucht nach Gemeinsamkeit, aber auch Isolation und Individualität.
Da gibt es schöne, traurige, berührende Sequenzen und immer wieder Selbstverständlichkeiten wie den unermüdlich pochenden Taktschlag des Organs, das schon im Embryo angelegt ist. Abwechselnd entwickeln sich Gleichklang und Gegensätze, tanzen sich die drei hinein in Gleichmut und Harmonie oder steigern sich dynamisch in Aggression oder in langweilige Anpassung. So machen die Tänzerinnen das variable Feedback, das jederzeit vom Herzen ausgeht, auf der nahezu leeren Bühne sichtbar. Dazu benutzen sie neben der Bewegung, die mal akrobatisch, mal schwingend, mal sexy, aber auch verstörend daherkommt, die Sprache. Amüsieren mit Spielchen, mit vollständigen und unvollständigen Sprichwörtern, mit augenzwinkernden Opernparodien, Blickkontak und politischen Statements.