In „Lottes Ballhaus“ des Mainfranken Theaters Würzburg huldigen Dominique Dumais und Kevin O’Day zwei Paartänzen

von mic (erschienen in Ausgabe 01/2022)

Extravagant, dramatisch, exzentrisch sei Lotte gewesen. Und lustig. Nostalgisch tönt die Erinnerung an Tage, als sich Körper zur Musik drehten in Lottes Ballhaus. Über ein Jahr mussten Tänzer auf Körperkontakt verzichten. Auf die Energie, die vom Paartanz ausgeht und den ihm eigenen Bewegungsformen. Umso intensiver widmet sich die Würzburger Tanzcompagnie nun dem, was das Gemeinsame ausmacht. Die Mainfranken-Theater-Produktion „Lottes Ballhaus“ ist zweigeteilt: Im ersten Part thematisiert Ballettdirektorin Dominique Dumais Facetten des Walzers. Nach der Pause widmet sich Artist in Residence Kevin O’Day den Facetten des „Nuevo Tango“. Gábor Hontvári dirigiert das Philharmonische Orchester Würzburg.

Dumais nähert sich den Bewegungsformen des Walzers überraschend klassisch. Das beginnt mit den Kostümen von Thomas Mika, die langen ausgestellten Röcke fallen leicht, kreisen, wehen. Gestreckte Körper, Sprünge, Drehungen und Hebefiguren vereinen die Tänzer mit modernen Bewegungsformen, Brüche entstehen nie. Dumais und ihre Tanzcompagnie erforschen Facette für Facette des Paartanzes. Das beginnt bei der Musikauswahl mit Werken von Johann Strauss über Mozart bis hin zu Schostakowitsch. Das Publikum erlebt, was Walser bedeuten kann: Begierde, Zögern, Verspieltheit, Sehnsüchte, Trauer, pralle Lebenslust. Die Tänzer greifen Facetten auf, Musik und Bewegung bilden von Beginn an eine Einheit. Viel Spaß machen augenzwinkernde Elemente wie der verzweifelte Rosenkavalier. Dumais und ihre Kompagnie erschaffen in sinnlichen, in humorvollen, in ästhetisch bezaubernden Choreografien eine Liebeserklärung an den Tanz um seiner selbst willen. Thomas Mika hat sich für ein schlichtes Bühnenbild entschieden. Mit nostalgisch anmutenden Ornamenten verzierte Wände, ein schwerer Leuchter und Licht- und Schattenspiele genügen, um in Lottes nostalgische Ballhauswelt abtauchen zu lassen. Als es um Tango geht, verschwinden Lamellen, die zuvor glatte Wand erinnert nun an südamerikanische Fensterläden und ermöglicht Durchblicke.

Kevin O’Day lernte den Tango Argentino auf Reisen durch Argentinien selbst kennen. Er spürte zudem in die Partituren Astor Piazzollas detailgenau hinein und setzt nun Erlebtes, setzt Stimmungen in seinen Choreografien in eigene Bewegungsabläufe um. In Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung, in sinnlich-langsame Weichheit und energiegeladenes Tempo. Tatsächlich ist es nun aber vor allem das Philharmonische Orchester Würzburg unter Gábor Hontváris Dirigat, das regelrecht über sich hinauswächst undPiazzolla, dem Schöpfer des Tango Nuevo, mehr als angemessen huldigt. Bogenschläge, Glissandi, messerscharfe Betonungen, wehmutsvolle Soli, jähe Zäsuren: Der Tanz gerät fast schon ins Hintertreffen, weil die Musik dermaßen fesselt. Als Hontvári beim Abschlussapplaus die Bühne betritt, empfangen ihn stehende Ovationen.

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www.mainfrankentheater.de

Bildnachweis: Nik Schölzel

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