Bässe wummern das Licht ist flackrig und auf der Tanzfläche winden sich verschwitzte Leiber. Andere stehen am Rand. Unterhalten sich. Flirten. Beobachten. Einen Drink in der Hand. So war das in der Disco der Achtzigerjahre. So ist das heute im Club. In diese Club-Atmosphäre entführt Thomas Kopp mit seiner aktuellen Choreografie „no photos on the dancefloor“. Wobei: Ist das wirklich ein Club? Oder ist das Theater? Oder weder noch? Vor allem: Soll das wirklich „Tanz“ sein?
In seinem neuen, ausgefeilten Tanzstück in der Theaterhalle am Dom hebt das „kollektiv anderer tanz“ auf etwas ab, was bei genauerer Betrachtung ein alltägliches Phänomen ist: Das, was auf dem Etikett steht, ist gar nicht drin. Etikett und Inhalt divergieren. Passen überhaupt nicht zusammen. Man fiel auf den puren Schein herein. Schon in seiner letzten Produktion spielte Kopp mit dem Gedanken, dass etwas so und so heißt. Und es doch nicht ist. Damals ging es um eine Ausstellung. Die bei näherer Betrachtung gar keine „echte“ Ausstellung war. Sondern nur deren Abbild. Diese Idee verfolgt er nun konsequent weiter. Allerdings müsse das Publikum nicht zu dem Schluss kommen, dass es um Phänomene und Illusionen, um Schein und Wahrheit gehe. Die Zuschauerinnen und Zuschauer müssen diesmal gar nichts. Müssten nicht mal mit oder nachdenken. Wobei Thomas Kopp schon gern ein Ventil öffnen würde. Über die Dub-Musik, die Bewegungen, Kostüme und atmosphärisch hervorgerufenen Emotionen möchte er das Publikum etwas erleben lassen, was es so noch nie erlebt hat. So werden viele die dargestellte Art von Performance, weit entfernt von der herkömmlichen Idee von Tanz, so noch nie gesehen haben. Das Ventil öffnet sich. Frei fließen Erinnerungen und Gedanken.
Nach jeder Produktion stehen die Künstlerinnen und Künstler vor einem Neustart. Jedenfalls viele. Thomas Kopp gehört zu jenen, die sich nicht wiederholen möchten. Die sich selbst nicht langweilen wollen mit einem einmal eingeübten, als erfolgreich erkannten Muster. So, wie die Tänzerinnen Sophie Charlotte Becker, Lilly Bendl, Sonja Golubkowa und Yana Madriyani in “no photos on the dancefloor” immer wieder für überraschende Brechungen sorgen, bricht Thomas Kopp immer wieder mit seinen eigenen Konzepten. Wobei es rote Fäden durch die Produktionen gibt. Dazu gehört Kants Appell, sich seines Verstandes zu bedienen, um der selbstverschuldeten Unmündigkeit zu entkommen.
Nach seiner letzten Produktion „Seven lives – none left“, bei der es um Ressourcenverschwendung ging, dachte das Künstlerkollektiv um Kopp durchaus darüber nach, neuerlich ein politisches Thema aufzugreifen. Doch dann stellte man mit Blick auf die brennendsten Themen fest: „Über die meisten gibt es fast nichts mehr zu sagen.“ Vom Maßnahmenplan gegen rechts bis hin zu Strategien für mehr Öko ist jedes Thema rein inhaltlich zur Genüge bespielt. So kam der Gedanke auf, über eine räumliche Situation, nämlich die eines Clubs, Denkmuster zu konterkarieren und psychologische Skripte zu unterlaufen. Das Ganze hat einen sinnvollen Anfang. Und ein sinnvolles Ende. Doch dazwischen gibt es viel Unerwartetes. Dieses ausgeklügelte Verwirrspiel kann beim Betrachter durchaus einen Erkenntnis- oder Lerneffekt zur Folge haben. Muss es aber nicht. Dem Publikum wird bewusst vollste Freiheit zugestanden. Und gerade die ist ja kostbar geworden.