Facettenreiche Händel-Oper "Amadigi di Gaula" im Staatstheater Meiningen

von Renate Freyeisen (erschienen in Ausgabe 11/2021)

Eine Zauberoper eröffnet mit überwältigendem Theaterzauber die Spielzeit in Meiningen, Händels "Amadigi di Gaula" von 1715.

Im Mittelpunkt steht die - erfolglos - mit allen dämonischen Mitteln um die Liebe des Ritters Amadigi kämpfende Zauber-Hexe Melissa. Dabei bleiben letztlich sie und der Rivale des Amadigi, Dardano, auf der Strecke; der darf nach seinem Tod wenigstens aus der Hölle noch die Götter um Mitleid für die beiden Liebenden Oriana und Amadigi anflehen. Doch das erwartete glückliche Ende des Paares wird von Regisseur und Ausstatter Hinrich Horstkotte ironisch in Frage gestellt. Denn bei der Hochzeit verbirgt die Braut schon den Dolch hinter ihrem Gewand.

Die äußere Handlung aber ist nur ein Vorwand, die widerstreitenden Gefühle zu zeigen als quasi überbordende Theater-Effekte ganz im Sinn der Barockzeit. Zu hören sind die menschlichen Gefühle bis in die sensibelsten Regungen in Händels Musik, konzentriert und prägnant betont durch Attilio Cremonesi am Cembalo und Pult der Meininger Hofkapelle. Das heutige Publikum kann dies an der abwechslungsreichen Personenregie miterleben.

Dass die äißere Handlung Illusion, Spiel ist, wird schon zur Ouvertüre deutlich: Die beiden "Helden" sitzen hinter der eigentlichen Bühne in einem Zuschauerraum, Kulissen sind von hinten zu sehen. Danach beginnt die Aktion für das Publikum im Opernhaus: In immer neuen Verkleidungen, mal in barocker Prunk-Robe, mal teuflisch schwarz, mal geheimnisvoll dunkelrot glitzernd, mal mit riesiger Rock-Schleppe über dem roten Kleid erscheint Melissa, mal assistiert von weißen Gespenster-Frauen, mal mit schwarzen Punk-Furien, und auch die Auftritts-Orte wechseln oft. Da gibt es Naturbilder für die Nacht, Wolken-Kulissen für den Tag, Wellen oder Flammen künstlich in Bewegung, ein Feuer-Tor, durch das Amadigi als wahrer Liebender schreiten kann, unechte Säulen, immer höhere Stufen, irritierende Spiegelwände, Raumfluchten, eine Drachenhöhle und zum Schluss ein Meer mit einem Papp-Schifflein obenauf, was das Paar in eine glückliche Zukunft führen soll - oder nicht?

Händels Musik, in all ihren Facetten von Trauer über Dramatik, Empfindsamkeit, Freude und Jubel, lässt dies offen in einem lieto fine in g-moll. Ins Reich der Toten entschwunden durch Selbstmord sind die Zauberin Melissa, von Monika Reinhard äußerst agil verkörpert, mit viel innerer Wut, Leidenschaft, ergreifender Klage und furiosen Ausbrüchen gesungen, und im Zweikampf der kriegerische Prinz Dardano, Almerija Delic, beeindruckend durch die kraftvolle, von Elan getragene Stimme, die auch die heikelsten Koloraturen meistert. Den Titelhelden Amadigi stellt Rafal Tomkiewicz mit fundiertem Countertenor und wehendem Blondhaar auf die Bühne, und so kriegt er "seine" Oriana, eine weithin passive mädchenhafte Schönheit, Sara-Maria Saalmann, die eine einsame, hartnäckig Liebende mit fein nuanciertem, hellem Sopran zeichnet.

Bildnachweis: Christina Iberl

Anzeigen