Renan Demirkan plädiert in „Respekt“ für eine das Trennende überwindende Haltung

von Pat Christ (erschienen in Ausgabe 05/2013)

Renan Demirkan: Respekt ist eine Geisteshaltung, die danach strebt, alles Trennende zwischen den Menschen aufzuheben.

Renan Demirkans Terminkalender ist gut gefüllt.

Viele Menschen wollen, dass sie aus ihrem Buch „Respekt“ liest.

Auch in Würzburg machte die 1955 in Ankara geborene Schauspielerin und Autorin Station.

Lange bemühte sich Homaira Mansury von der Akademie Frankenwarte, Demirkan nach Würzburg zu bringen. Eingebettet war die im April organisierte Lesung in die Reihe „Vielfalt statt Einfalt“ der Würzburger SPD anlässlich des Nazi-Aufmarschs am 1. Mai in Würzburg.

Überall in Europa geben extremistische Tendenzen Anlass zu Unruhe. Auch Renan Demirkan bereitet dies Sorgen. Wobei sie Extremistisches keineswegs nur im rechten Lager entlarvt. Sondern, und mit dieser Haltung provoziert sie sehr bewusst, zum Beispiel auch in unserer Arbeitswelt.

Mit einer nicht mehr zu billigenden Rigorosität wird nach Demirkans Ansicht „Humankapital“ ausgebeutet. „Der Arbeitsbegriff richtet sich heute gegen den Menschen“, prangert sie an. Immer flexibler müssten Werktätige sein: „Doch der Mensch braucht Kontinuität.“

Besonders empörend ist für die sozial engagierte Künstlerin, dass sich immer mehr Erwerbstätige als Ein-Euro-Jobber oder Leiharbeiter „verdingen“ müssen. Oft landen Menschen, die ohnehin keinen respektvollen Umgang gewohnt sind, in prekären, demütigenden Jobs.

Wundert es da, dass sie leicht in extremistische Gruppen abdriften? Renan Demirkan zumindest erstaunt dies nicht: „In diesen Gruppen bekommen sie gesagt: ‚Du bist stark! und ‚Wir bauchen dich!’“

Egal, wie verquast die Ideologie ist – sie vermittelt das Gefühl, verstanden zu werden und sich gemeinsam wehren zu können gegen ein System, das von immer mehr Menschen als unfair empfunden wird.

Nicht zu Unrecht, so Demirkan: „Für die große Masse in unserem Land geht es tatsächlich abwärts.“

Dass irgendwo in jedem Menschen eine große Sehnsucht nach Menschlichkeit und Respekt schlummert, egal wie respektlos der betreffende Mensch nach außen auch auftritt, diese Überzeugung trägt die Schauspielerin und gibt ihr Hoffnung. In rassistischen, katholizistischen oder anderen extremistischen Gruppierungen sei echter Respekt nicht zu finden: „Hier erfährt man allenfalls Anerkennung.“

Und Halt inmitten einer komplexen, immer schwerer fassbaren Welt. Dies wiederum sei lebenswichtig für die Menschen: „Wer keinen Halt hat, stürzt leicht in Depression oder Burn-out ab.“

Renan Demirkan will sich nicht über extremistische Umtriebe lautstark empören. Sie appelliert, zu verstehen, wie Menschen zu extremistischen Haltungen kommen. Inwieweit das System Mitverursacher ist. Nach ihrer Ansicht ist es dies in hohem Maße.

Die Arbeitswelt sei dabei nur ein, wenngleich ein gewichtiger Faktor. Eine Gesellschaft, die ignorant auf „Toleranz“ setzt, verschlimmere das Übel.

Toleranz, betont Demirkan bei jedem ihrer Auftritte, ist eine Herrschaftsgeste. Definieren doch die „Toleranten“, was da zu tolerieren ist. Sie geben die Spielregeln vor.

Respekt hingegen sei eine Geisteshaltung, die danach strebt, alles Trennende zwischen den Menschen aufzuheben.

Bildnachweis: Christ

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