Lukurello findet Wien gleich um die Ecke im nahegelegenen Veitshöchheim

von Lukurello (erschienen in Ausgabe 6/2010)

Klassisch gebildet, wie er nun einmal ist, kennt Lukurello natürlich die wahre Bedeutung der schönen lateinischen Sentenz „Tu felix Austria“. „Du glückliches Österreich“ heißt das übersetzt, wiewohl verkürzt. Das Zitat lautet nämlich „Bella gerant alii, tu felix Austria nube“, zu deutsch „Kriege führen mögen andere, du glückliches Österreich heirate“; es bezieht sich auf die Heiratspolitik der Habsburgerdynastie. Gleichwohl, aus lukullischer Sicht ist Österreich unbedingt glücklich zu preisen, durch alle Landesteile bis hin zur Hauptstadt Wien ein wahres Gourmetparadies. Was Lukurello allerdings seit jeher lebhaft bedauert, ist die betrübliche Tatsache, dass sich die wunderbare Küche des südlichen Nachbarn hierzulande kaum durchgesetzt hat. Lediglich manche der göttlichen Mehlspeisen finden sich – oft als müder Abklatsch – auf Dessertkarten wieder, und natürlich feiert das berühmte Wiener Schnitzel allüberall fröhliche Urständ – ein Umstand, der oft eher Bedauern als Freude hervorruft. Die Vielfalt einer Küche jedoch, die aus dem Vielvölkerstaat der Donaumonarchie hervorgegangen ist, jenes himmlische Changieren zwischen Rustikalität und Raffinesse, zwischen herzhaft Deftigem und schwärmerisch Verfeinertem hat bei uns wenig Verbreitung gefunden. Umso erfreuter war Lukurello, als ihn die Kunde erreichte, dass vor den Toren Würzburgs, im schönen Veitshöchheim, die „Wiener Botschaft“ ihre Pforten eröffnet hat und zu österreichischen Tafelfreuden lädt. Die Neugier war schier grenzenlos und die Vorfreude groß. Solch hohe Erwartungen sind natürlich tückisch, doch über der „Wiener Botschaft“ strahlt augenscheinlich ein glücklicher Stern. Das, was österreichische Gastlichkeit ja ausmacht, jene charmante, stilvolle Professionalität, war hier vom ersten Moment an spürbar. Bestens geschultes Personal, freundlich und aufmerksam; ein Ambiente, das die einfache Gemütlichkeit eines Wiener Beisl verströmt und dennoch Chic hat. Für etwas Skurrilität sorgen die Ölgemälde mit Hundeköpfen in Menschenkleidung im Stil der classic pets von Valerie Leonard. Doch nun von den Äußerlichkeiten zum Eigentlichen: Die Speisekarte zeigt auf den ersten Blick, dass man es hier mit dem Anspruch, österreichische Küche zu bieten, ernst meint. Auf den zweiten, tieferen Blick zeigt sie, dass man zur letzten Originalität nicht vordringen will, weil die vielen, schön „schrägen“ Sachen, die in Wien das Speisen zum Abenteuer machen, fehlen. Lukurello möchte es einmal so ausdrücken: „Die Wiener Botschaft“ bietet (auch preislich) gehobene Küche, die der österreichischen Kulinarik auf hohem Niveau und mit viel Einfühlungsvermögen nachempfunden ist. Der Küchenchef ist denn auch Würzburger mit großer Liebe zu Österreich. Der dritte, umfassende Blick in die Speisekarte verschafft die Einsicht, dass man die „Wiener Botschaft“ am besten mit gutem Appetit aufsucht. Schon allein eine Vorspeise wie „Lauwarmer Erdäpfelsalat & Backhendl“ verspricht Üppigkeit; man könnte dann über eine Frittatensuppe (Thomas Bernhard läßt grüßen) zu einem sogenannten „Zwischengericht“ übergehen und beispielsweise „Innsbrucker Spinatnockerln mit geschmolzenem Bergkäse“ oder „Schlutzkrapfen vom Ochsenschlepp auf Rotweinkraut mit Schmorfond und brauner Butter“ bestellen – mei, und dann hätte man immer noch keinen Hauptgang. Da locken Zander und Bachsaibling, Saftgulasch vom Kärntner Ochsen oder Burgenländer Lammrücken. Lukurello und Begleitung wählten ganz klassisch Gesottenen Kalbstafelspitz und ein Original Wiener Schnitzel vom Kalb. Im Einfachen liegt ja oft die Tücke. Um es kurz zu machen: Die Küche der „Wiener Botschaft“ meisterte diese Herausforderung glänzend. Delikat und von hoher Qualität sowohl der Tafelspitz wie auch das Kalbsschnitzel, perfekt zubereitet, mit einfachen, wohlschmeckenden Beilagen. In Wien wird man kaum besser essen. Und danach noch eine Mehlspeise? Ja, österreichische Küche kann eine echte Herausforderung sein. Der Verzicht auf Kaiserschmarrn und Topfenknödel fiel nicht leicht, schien aber geboten. So blieb es beim Marillenpalatschinken mit Kürbiskerneis. Ein etwas leichteres, süßes Schmankerl zum Schluss. Dass auch noch österreichische Weine und landestypische Edelbrände auf der Karte zu finden sind, versteht sich von selbst. Was bleibt, ist der zufriedene Seufzer „Tu felix Austria“ und der glückliche Umstand, dass Wien in Veitshöcheim gleich um die Ecke liegt.

Bildnachweis: Mario Trott

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