Lukurello speist herbstlich im „Waldhaus“ bei Rottendorf

von Lukurello (erschienen in Ausgabe 10/2010)

Klassisch gebildet, wie er nun einmal ist, kennt Lukurello natürlich den Ursprung des Wortes „Orientierung“. Er geht zurück auf das lateinische „oriens“, also Osten. Die Richtung des Sonnenaufgangs. Daher kommt dann auch der Orient, aber der ist heute nicht das Thema. Andere Gründe bewegen Lukurello zu solchen Wortklaubereien. Denn er ist neulich von Würzburg gen Osten gefahren und hat die Orientierung verloren. Dabei war in diesem Fall der Osten nur Rottendorf bzw. der herbstliche Wald am Rande des Ortes.

Das „Waldhaus Leonhardt“ war sein Ziel, aber im nebligen Dämmerlicht übersah er alle Hinweisschilder, fuhr im Kreise und fand partout den schmalen Waldweg nicht, der zum gepriesenen Gourmettempel führt. Immer der Nase nach ist bei Lukurello in solchen Fällen dann die Devise, und die führte schließlich zum Erfolg. Das Waldhaus lag im diffusen Abendlicht vor ihm, und die erste Erkenntnis dämmerte: Dieses Lokal liegt idyllisch versteckt und will gefunden werden. Nicht die schlechtesten Voraussetzungen also. Zweite Erkenntnis gleich danach: Offenbar kennen sehr viele den Weg. Denn an einem normalen Werktagabend im Oktober war das Waldhaus gut besucht. Auch das kein schlechtes Zeichen. Dritte Erkenntnis: Die Idylle im Wald ist ein komplexes bauliches Gebilde mit vielen Räumen, Stuben, einer Bar, einem Pavillon, einem Wintergarten, einer Scheune. Alles fränkisch-rustikal, Landhausstil, ein wenig überdekoriert vielleicht, aber gemütlich, anheimelnd, einladend – für den nebligen Herbstabend genau das Richtige. Nächste Erkenntnis: Auch die Speisekarte ist ein komplexes Gebilde voller Winkel und Unübersichtlichkeiten. Man könnte auch sagen: Kraut und Rüben. Da gibt es Menüs und Tagesgerichte bunt durcheinander, Vorspeisen und Suppen mal auf der, mal auf der anderen Seite. Die Orientierung fällt schon wieder schwer.

Doch dann eine weitere Erkenntnis: Die Speisekarte ist durchaus interessant, die Gerichte wollen nur gefunden werden. Regionale und saisonale Küche, entsprechend fällt die Bestellung aus. Eine Linsensuppe mit Gänsebruststreifen für Lukurello, ein Rindercarpaccio für seine Begleitung. Der Hauptgang besteht zum einen aus gebratener Gänsebrust mit Klößen und Wirsing, zum anderen aus einem Feldhasenfilet in Sauerkirschsoße samt Pfifferlingen und Speckrosenkohl. Das ist fränkisch und herbstllich und passt zum Ambiente. Zusammenfassende Erkenntnis: Eine sehr bodenständige, leckere Linsensuppe verträgt sich nicht ohne weiteres mit Gänsebruststreifen, da fehlte dem Koch ein wenig die Orientierung. Alles weitere war ohne Fehl und Makel, wunderbar auf den Punkt gegart, geschmacklich überzeugend abgerundet. Ein geglücktes Experiment: die Sauerkirschsoße zum Hasenfilet. Wunderbar fränkische Desserts, ein Winzergrießbrei, wohl mit Silvaner verfeinert, eine Traubenmousse – das zeugt von Ideen und dem Bestreben, östlich von Würzburg eine gehobene Küche zu bieten, die das Bodenständige zum Fundament hat, dieses Bodenständige dann gekonnt verfeinert, ohne artifiziell und albern zu werden. Und dazu sind die Essensportionen so bemessen, dass man und Mann wirklich satt wird. So soll es sein.

Abschließende Erkenntnis: Auch das Portemonnaie freut sich zum Schluss, denn die Qualität hat im „Waldhaus“ einen erfreulich überschaubaren Preis. Lukurello jedenfalls hat den Weg durch den Wald gefunden und wird sich in Zukunft sicher immer wieder mal Richtung Osten orientieren, bereit zu weiteren Erkenntnissen.

Bildnachweis: Mario Trott

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