Lukurello misst im Gasthaus „Zum Stern“ die Sulzfelder Meterbratwurst aus

von Lukurello (erschienen in Ausgabe 12/2010)

Klassisch gebildet, wie er nun einmal ist, weiß Lukurello natürlich, was es mit dem Meter auf sich hat. Das Wort leitet sich her vom griechischen métron, was „Maß“ bedeutet. Anders als die traditionellen Maße hängt der Meter nicht von der Länge menschlicher Gliedmaßen ab. Er wurde zunächst als der zehnmillionste Teil eines Erdmeridians, also der Entfernung vom Pol zum Äquator, definiert. Das haute aber irgendwie nicht hin, und deshalb ging man im 20. Jahrhundert andere Wege, brachte ihn mit der Wellenlänge von Atomen und später mit der Lichtgeschwindigkeit im Vakuum in Verbindung. An der Stelle ist Lukurello bei seinen Metererkundungen dann übrigens ausgestiegen, weil er überhaupt nichts mehr kapierte. Von der Physik trennten ihn schon immer Welten.

Man sollte dennoch über diese Dinge nachdenken, wenn man nach Sulzfeld am Main fährt. Denn dort rühmt man sich der Erfindung der Meterbratwurst und bietet sie in diversen Lokalen an. Man kann auf der Fahrt aber auch grundsätzlich über Bratwürste nachdenken und über Bratwürste und Franken. Es gab ja schon einmal den Slogan „Die Bratwurst ist eine Fränkin“, und in Schweinfurt heißt es, dort geborene Kinder kämen mit einer Bratwurst im Mund zur Welt. Ein inniges Verhältnis also, außenpolitisch belastet durch Differenzen mit Thüringen hinsichtlich der dortigen Rostbratwürste; innenpolitisch brisant durch Diskussionen über Nürnberger Minibratwürste und Dauerkonflikte zwischen Nürnberg, Bamberg, Würzburg und Schweinfurt. Sulzfeld ist da irgendwie außen vor, weil man eben die Meterbratwurst zum Maß aller Dinge erhoben hat.

Die soll von einem Lorenz Stark 1953 erfunden worden sein, ein Meter Bratwurst entspricht in etwa 500 Gramm Fleisch. Das ist bratwurstmäßig gesehen schon mächtig, der Verzehrrekord liegt angeblich bei 5,60 Metern. Im übrigen sind in Sulzfeld auch halbe Meter erhältlich. Selbstverständlich konkurriert im hochromantischen Weinort mit seiner Mauer und den gepflasterten Gässchen die Gastronomie mit der Meterbratwurst untereinander. Lukurello ist nicht in der Lage, den Schiedsrichter zu spielen, dazu müsste er zuviele Meter Bratwürste verspeisen. Diesmal hat er sich für den Gasthof „Zum Stern“ entschieden, einem Haus mit gutem Ruf. Hier ist alles so fränkisch solide, wie es sein soll. Keinerlei modischer Schnickschnack im Dekor, keine Experimente auf der Speisekarte. Eine recht einfache Gaststube, das Angebot an Speisen so, wie man es erwartet in einem dörflichen Gasthaus mitten in Mainfranken. Hier kann man im besten Sinn nichts falsch machen, weil alles echt ist.

Die Sulzfelder Mostsuppe mit „Brökeli“: herb, robust, gradlinig. Der halbe Meter Bratwurst mit hausgemachtem Kartoffelsalat und Salatteller: Der Mensch hierzulande liebt es genauso, so muss eine Bratwurst schmecken. Außerdem noch probiert: Rehgulasch mit Semmelkloß. Für Lukurellos Geschmack war die Soße zu dick und mächtig, aber Soßenliebhaber lieben es wohl so. Ein sehnsüchtiger Blick auch auf die Brotzeitkarte, die so richtige Hausmacherwurst verspricht. Sie muss bis zum nächsten Mal warten, wenn die lokalen Sulzfelder Weine aus dem hauseigenen Weingut probiert werden. Denn in den Gasthof „Zum Stern“ kehrt man problemlos immer wieder zurück, einfach so, weil man dort kein Risiko eingeht. Und das ist nicht selbstverständlich in der Gastronomie, auch in fränkischen Landen nicht.

Bildnachweis: Mario Trott

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