Lukurello testet den neuen alten „Stachel“ in Würzburg

von Lukurello (erschienen in Ausgabe 09/2014)

Als Lukurello vor sehr vielen Jahren zum ersten Mal im Innenhof des „Weinhauses zum Stachel“ in Würzburg saß, war er natürlich verzaubert – wie wohl alle, die je in dieser Idylle eingekehrt sind.

Der „Stachel“ blieb dann immer ein besonderer Ort, an den man Gäste führte oder einen besonderen Abend verbrachte.

Würzburgs ältester Gasthof, schon 1319 urkundlich erwähnt, früher Gressenhof genannt; der heutige Name soll aus dem Bauernkrieg stammen, er geht auf die martialische Waffe des Morgensterns zurück, der heute noch das äußere Wahrzeichen ist. Im 19. Jahrhundert war es die Familie Ziegler mit der legendären alten Stachelwirtin, die den Ruf des Hauses begründete.

Viel Würzburger Stadtgeschichte lässt sich bis heute hier bei einem Schoppen ergründen und erzählen.

Von der Katastrophe des 16. März 1945 wurde auch der „Stachel“ nicht verschont, aber bereits Ende 1949 wurde der Gasthof wiedereröffnet und erneut zu einer gastronomischen Institution im neuen alten Würzburg.

Als der Betrieb Anfang 2013 geschlossen wurde, waren viele irritiert und sogar schockiert.

Würzburg ohne den „Stachel“ – schwer vorstellbar.

Aber alles wurde gut, und seit Oktober 2013 wird in der Gressengasse wieder gekocht und Wein ausgeschenkt. Grund genug für Lukurello, dem „Stachel“ seine Aufmerksamkeit zu schenken und nach dem Rechten zu sehen.

Die besondere Atmosphäre ist geblieben, und auch die Mischung der Gäste: Touristen und alteingesessene Würzburger.

Dennoch war Lukurello einige Augenblicke erstaunt, als er auf der aktuellen Tageskarte Gerichte wie „Spaghetti carbonara“ oder „Zürcher Geschnetzeltes“ fand, zu sehr moderaten Preisen.

So versucht man also Touristen anzulocken – was natürlich nicht verwerflich ist. Aber ob so etwas dem Profil und Ruf eines Hauses dient, mag dahingestellt bleiben. Alle Bedenken verschwinden aber beim Blick auf die eigentliche Speisekarte.

Da ist dann schon die echte fränkische Küche zu finden, mit gelegentlichen Ausrutschern wie „Tagliatelle ‚Don Miguel’“.

Lukurello ging aufs Ganze und wagte das Urdeftige. Er begann mit „Gebratener Blutwurst an Meerrettichsauce und gebackenen Kartoffelscheiben“ – und siehe da, es war ein Ereignis.

Die Blutwurst (die man mögen muss) war so kross gebacken, dass sie jede Schwammigkeit verloren hatte und einfach nur gut schmeckte.

Die Meerrettichsauce dazu ein feinabgeschmecktes Gedicht. Für den Hauptgang fiel die Wahl sehr schwer: Da waren natürlich die „Geräucherten Wildschweinbratwürste mit selbstgemachten Kartoffelsalat“ eine Versuchung; das „Fränkische Hochzeitsessen“ hätte zu einer kritischen Verkostung getaugt, ebenso der „Fränkische Sauerbraten“.

Lukurello blieb beim sehr Deftigen und bestellte den „Ofenfrischen Schweinebraten mit Distelhäuser-Landbiersoße, Kartoffelklößen und kleinem Salat“. Abgesehen davon, dass er den Salat als Beilage nicht ganz glücklich fand, erfüllten der Schweinebraten, die dunkle Soße und die wirklich exzellenten Klöße jede Erwartung.

So will man in Franken essen.

Lukurellos Begleitung unternahm einen Ausflug in ein Randgebiet, wählte das „Original Wiener Schnitzel vom Kalbsrücken mit selbstgemachtem Kartoffelsalat und Preiselbeeren“ und bekam tadelfreie und höchste Qualität.

Ein Dessert war angesichts der Portionsgrößen nicht mehr angesagt; außerdem ist die Auswahl in dieser Hinsicht recht belanglos und nicht sehr fränkisch.

Was die Weine des Hauses betrifft, wird das „Weinhaus zum Stachel“ seinem altehrwürdigen Ruf gerecht.

Die Tradition wird in der Gressengasse also hoffentlich Zukunft haben.

Bildnachweis: Mario Trott

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