Lukurello kehrt im „Gasthof zum Schwan“ in Kürnach ein

von Lukurello (erschienen in Ausgabe 03/2011)

Klassisch gebildet, wie er nun einmal ist, weiß Lukurello natürlich, was es mit dem Schwan auf sich hat. Ein majestätischer, schneeweißer Vogel voller Abgründe. Schon die alten Griechen wussten davon und erzählten sich den Mythos von der schönen Leda, der sich der Gott Zeus in Gestalt eines Schwanes näherte und sie schwängerte.

Aus antiken Tagen stammt auch die herzzerreißende Geschichte, nach der Schwäne vor ihrem Tod ein letztes, trauriges, aber wunderschönes Lied anstimmen. Daraus ist der Begriff des Schwanengesangs entstanden. Die deutsche Sage kennt den Schwanenritter Lohengrin, und interessanterweise gilt der Schwan auch als Symbol des Reformators Martin Luther. Kein Wunder also, dass viele deutsche Gasthäuser nach dem Schwan benannt sind, wie denn überhaupt das Thema der Wirtshausnamen kulturhistorisch überaus interessant und aufschlussreich ist. Das alles kann, muss einen aber nicht interessieren, wenn man den „Gasthof zum Schwan“ in Kürnach nahe Würzburg aufsucht. Natürlich grüßt der stolze Vogel auf einem prächtigen Wirtshausschild an einem sehr stattlichen Haus, das in einer Repräsentanz und Gepflegtheit schon von außen zur Einkehr einlädt.

Ein Traditionshaus seit 1903, und Lukurello, der leidenschaftlich gerne immer die kaum zu überschauende Gasthauskultur Mainfrankens erforscht, war gespannt, was hier geboten wird. Nun, zunächst eine rustikale, heimelige, aber mit Sinn für die klare Linie gestaltete Gaststube. Dann eine professionelle, „fränkische“ Bedienung, was heißt: Keine großen Worte, aber prompter, zuverlässiger Service. Die Speisekarte: erfreulich knapp und erfreulich vielseitig. Man muss nicht ewig blättern, sondern findet auf einer Doppelseite das ganze Angebot. Links die saisonale Küche, rechts die Klassiker des Hauses. Es ist ja eine gar nicht zu unterschätzende Kunst, bei der Abfassung einer Speisekarte auf den Punkt zu kommen. Langweilig ist es, wenn Gerichte einfach nur aufgelistet werden; andererseits kann einem die durchaus verbreitete Manie, alles in aufgeschäumter Sprache poetisch zu umwölken, auch auf die Nerven gehen. Die Schwanenleute von Kürnach beherrschen gekonnt die Mitte: wenn da steht: „Rumpsteak vom Michelauer Hochlandrind mit Wirsing und Weichkäse überbacken“, dann weiß man genau, was man bekommt, und gleichzeitig lässt einem die Formulierung schon das Wasser im Munde zusammenlaufen.

Lukurello und seine Begleitung blieben dennoch bei der saisonalen Küche hängen. Den Auftakt machte der „Kürnacher Ackersalat auf Ananascarpaccio mit magerem Wildschinken und geröstetem Bauernbrot“. Auch hier sind von Anfang an alle Fragen geklärt, der „Ackersalat“ war natürlich Feldsalat, Schinken und Bauernbrot passten dazu, die pseudoexotische Ananasnuance hätte nicht unbedingt sein müssen. Wie denn überhaupt die deflationäre Verwendung des Carpacciobegriffs für alles dünn Geschnittene eine jener Küchenmoden ist, deren baldiges Ende man inständig herbeisehnt. Danach wurde zum Ende des Winters noch einmal der Wilderei gefrönt. Es gab „Rehküchle mit Steinpilzchampignons, Kartoffelkrapfen mit frischen Marktsalaten“ und einen soliden „Braten vom Spessarthirsch an feiner Wildsoße, Semmelknödel und Brokkoli“. Das mit den „Rehküchle“ ist schon eine schöne Idee: zwei lecker braun gebratene „Frikadellen“ waren das, aber eben aus dem Hack von Rehfleisch gemacht.

Hier zeigt sich pars pro toto vielleicht die Stärke der Küche im Kürnacher „Schwan“: Es wird bodenständig und regional ausgerichtet gekocht, man hat dort wirklich nette Ideen, was die Originalität einzelner Gerichte angeht – aber die werden dann solide geboten und nicht durch irgendwelchen Schnickschnack verkünstelt. Letztlich will man es genauso haben. Nicht so erwähnenswert die Desserts, die scheinen nicht die Lieblingsdomäne des Küchenchefs zu sein. Dafür ist die Weinkarte großartig: ein vielfältiger Querschnitt durch die fränkischen Lagen mit erstaunlich vielen Rotweinen. Der „Schwanengesang“ Lukurellos bedeutet in diesem Fall: großes Lob verbunden mit der Absicht, im „Gasthof zum Schwan“ bald wieder einzukehren.

Bildnachweis: Mario Trott

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