Lukurellos Probleme mit den Lorbeerkränzen in „Schwab’s Landgasthof“ in Schwarzach

von Lukurello (erschienen in Ausgabe 5/2010)

Klassisch gebildet, wie er nun einmal ist, weiss Lukurello natürlich um die Ambivalenz des Lorbeerkranzes. Damit werden Sieger geehrt, aber er ist nicht von Dauer, verwelkt rasch. Er muss immer wieder neu errungen werden. Daran musste Lukurello neulich denken, als er „Schwab’s Landgasthof“ in Schwarzach am Main betrat und nach dem Essen wieder verließ. Hoch gerühmt ist diese gastliche Stätte, in Gourmetführer aufgenommen und dort wohlwollend besprochen; Lukurello selbst wurde der etwas abseits der Hauptstraße liegende Gasthof emphatisch empfohlen. Und dann ereignete sich bei einem späten Mittagessen an einem ganz normalen Donnerstag eine kleine Tragödie, die zeigte, wie nah Hoffnung und Enttäuschung, Sieg und Niederlage beieinanderliegen, wie ambivalent eben Lorbeerkränze sind. „Schwab’s Landgasthof“ ist ein Schmuckstück, ein grüngestrichenes altes Wirtshaus, von außen unprätensiös, innen edelrustikal und freundlich. Schon die Holzbank mit Sitzkissen neben der Eingangstür macht einen einladenden Eindruck; drinnen herrscht fränkische Gemütlichkeit mit viel Holzdekor, sehr hell gehalten, nicht überladen. Trotz der relativ späten Mittagszeit war die Gaststube noch gut besucht; ein gutes Zeichen. Perfekter Service eines geschulten Obers in vollem Dress. Die Speisekarte eine kleine Überraschung: Man rühmt sich der Wild- und Fischgerichte, die Auswahl allerdings war sehr überschaubar, um nicht zu sagen schmal. Nur ein Gericht der jeweiligen Art war zu finden. Dazu allerdings eine aktuelle Spargelkarte, zum frühen Beginn der Saison. So war die Auswahl rasch getroffen: ein Spargel- und ein Wildgericht sollten es sein. Als Vorspeise wählten Lukurello und seine Begleitung keine der landestypischen Suppen, sondern geräuchertes Wallerfilet auf Linsensalat. Und das entpuppte sich als Offenbarung und Verheißung sondergleichen. Eine ungewöhnliche, delikate Kreation, fein abgeschmeckt, kündete von der Kunst des Küchenchefs. Der erste Lorbeerkranz wurde geflochten, es wurde voller Vorfreude über die kommenden Hauptgerichte spekuliert, erste Erwägungen angestellt, „Schwab’s Landgasthof“ bald wieder zu beehren. Dann kamen die Hauptgerichte: frischer Spargel, etwas gewagt aber vielversprechend mit einer mediterran angehauchten Tomatensoße, mit Käse überbacken. Und ein sogenanntes „Steigerwald-Pfännchen“, Filet vom Reh mit Semmelknödeln und Gemüsen, serviert in einer optisch gar nicht ansprechenden Metallpfanne. Immer noch von der köstlichen Vorspeise inspiriert andachtsvolles Betrachten, vorsichtiges, erwartungsvolles Probieren – langes Schweigen... Erneutes Probieren, man ringt um Worte... „Naja, ganz gut, aber...“ Was soll man sagen? Erwartung und Enttäuschung eben. Die „äußeren“ Umstände sind schnell benannt: der Spargel war schlecht geschält und hatte kein Aroma (letzteres mag der frühen Saison geschuldet sein). Die Kartoffeln zum Spargel waren indiskutabel zerkocht und völlig geschmacklos. Die Tomatensoße dagegen ungewöhnlich und äusserst lecker. Beim „Pfännchen“ wurde Lukurello in seinen Vorurteilen gegen Pfännchen bestätigt: Je tiefer er zum Boden vordrang, umso mehr machte sich ein metallischer Geschmack unangenehm breit. Das Reh war in Ordnung, die Semmelknödeln nicht erwähnenswert, das Gemüse eher fade. Von besonderer Güte und Geschmack lediglich die frischen Champignons, die über das Pfännchen gestreut waren. Von der Soße soll nicht die Rede sein, sie war übersalzen und ihr Ursprung allzu leicht erkennbar. Was war geschehen? Eine gerühmte Küche konnte am späten Mittag offenbar die eigenen Qualitätsansprüche nicht mehr erfüllen und kochte also „irgendwie“. Dieses „Irgendwie“ war nun nicht dramatisch schlecht, aber auf diesem Niveau isst man in Mainfranken überall. Die Erwartungen waren hoch, der Fall umso tiefer. Der Lorbeerkranz in „Schwab’s Landgasthof“ muss neu errungen werden.

Bildnachweis: Mario Trott

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