Lukurello reist im „Saigon“ mal eben nach Vietnam

von Lukurello (erschienen in Ausgabe 10/2010)

Klassisch gebildet, wie er nun einmal ist, weiß Lukurello natürlich, dass die Welt nicht an den Grenzen des Abendlandes endet. Vor allem das ferne und fremde Asien öffnet kulturelle und kulinarische Horizonte, die ihresgleichen suchen. Die diversen Küchen Asiens haben sich auch hierzulande etabliert – in verschiedenen Abstufungen, was Quantität und Qualität anbelangt. Allgegenwärtig ist die chinesische Küche, die es im Reich der Mitte so aber gar nicht gibt, weil China unzählige Regionalküchen kennt; dementsprechend bieten die vielen chinesischen Restaurants bei uns eine sehr eintönige, langweilige, völlig unoriginelle Einheitsellküche von oft zweifelhafter Qualität. Lukurello verschmäht sie in aller Regel, weil er weiß, wie es in Singapur, Hongkong oder Peking schmeckt. Dennoch ist er stets – von Sehnsucht nach exotischen Genüssen getrieben – auf der Suche, und nun ist er wieder einmal fündig geworden. Es spricht sich erst ganz allmählich herum, dass auch Vietnam über eine eigene, originelle und äußerst wohlschmeckende Küche verfügt. Lange Zeit litt der Ruf dieses Landes unter den lang nachwirkenden Schreckensbildern des grausamen Krieges, die Facetten der vietnamesischen Kultur blieben völlig verborgen. Und die zahlreichen Einwanderer aus Vietnam – oft sogenannte boat people – siedelten sich zwar rasch auch in der Gastronomie an, versteckten sich aber meist hinter der vermeintlich populäreren chinesischen Küche. Das führte zu dem Paradox, dass viele „chinesische“ Restaurants und Schnellimbisse von Vietnamesen betrieben werden, die ihre eigenen Spezialitäten aber unter Verschluss halten. Ganz langsam hat sich das nun geändert, und erfreulicherweise kann man sich seit einigen Monaten in der Würzburger Bahnhofstraße ein Bild davon machen, wie es in Vietnam schmeckt. Das etwas abseits liegende „Saigon“ nennt sich Bistro, und genauso führt es Familie Tran auch: als ein kleines Restaurant mit kleinen Preisen. Liebevoll dekoriert, liebenswürdiger Service, eine an der originalen vietnamesischen Küche orientierte Speisekarte. Die Gerichte sind in Auswahl und Zubereitung sicher etwas auf europäischen Geschmack hin abgemildert, lokale Spezialitäten und Würzgewohnheiten würden manchen hierzulande wahrscheinlich überfordern. Das sagt Lukurello, der die Küchen Südostasiens en detail kennt und schätzt. Die Küche Vietnams ist beeinflusst von den Kochkünsten der südchinesischen Provinzen und der raffinierten Lukullik Thailands. Wie alle Küchen Indochinas ist sie eine „Suppen-Küche“. Erfreulicherweise glänzt das „Saigon“ denn auch mit dem vietnamesischen Nationalgericht, der Pho Bo Hanoi. Eine große Schale Suppe mit Reisbandnudeln und Rindfleischstreifen. Sie wird traditionellerweise 24 Stunden gekocht, mit Nelken, Zimt und Sternanis fein gewürzt und individuell mit Nuocmam abgeschmeckt, der in Vietnam allgegenwärtigen fermentierten Fischsauce. Lukurello schätzt diese Suppen an warmen wie an kalten Tagen gleichermaßen und gibt gerne etwas mehr rote Chilischoten dazu, als es Herr Tran von sich aus tut. Man wird pappsatt davon und muss an einem anderen Tag wiederkommen, um vielleicht einen weiteren Klassiker zu probieren, Goi Ga, gebratenes Hühnerfleisch mit Chili, Koriander, geröstetem Reis und roten Zwiebeln. Oder Vit Gion Curry, erstklassige knusprige Ente in Kokosnussmilch, mit Gemüse und rotem Curry. Dazu ein originales Bier aus Saigon – da sitzt Lukurello mit seiner Begleitung dann an einem herbstlichen Tag in Würzburg und fühlt sich ganz weit weg wie im tropischen Indochina.

Bildnachweis: Mario Trott

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