„Restaurantkritiker Lukurello“ startet seine Tour durch die mainfränkische Gastronomie im Würzburger „Karthäuser“

von Lukurello

Klassisch gebildet, wie er nun einmal ist, würde Lukurello es so ausdrücken: Es hieße Eulen nach Athen tragen, den „Karthäuser“ in Würzburg zu empfehlen. Denn der ist eine Institution, bereits seit Ostern 1951, und Institutionen ruhen in sich, bedürfen keiner Empfehlung. Wer sie kennt, weiß, was er hat – und allen anderen ist sowieso nicht zu helfen. Was beileibe nicht heißt, dass solche ewiggültigen Institutionen ohne Fehl und Makel wären, aber das ist nicht der Punkt: Trotz Macken sind solche Einrichtungen Fixpunkte des Lebens, sie gewähren vertraute Sicherheit, sie sind ein Stück dessen, was man Heimat nennt. In Würzburg ist der „Karthäuser“ eine solche Heimat.

Selbst Heimatflüchtlinge wie der manchmal sehr ironisch-böse Schriftsteller Peter Roos erinnern sich nostalgisch seufzend an Jugendzeiten im „Karthäuser gegenüber, der die besten Hendl dieser Welt braun brät“. Damit sind zwei wichtige Stichworte gefallen: „gegenüber“ und „Hendl“. Beide sind ein Segen. Wer sich je im früheren Stadt- und jetzigen Mainfrankentheater kulturell gelangweilt hat, weiß um die Verheißung, daß man „gegenüber“ kulinarisch dafür entschädigt wird – ganz egal, ob die Vorstellung endlos dauert, weil der Regisseur mal wieder nicht das Geheimnis der publikumsfreundlichen Strichfassung kannte. Denn im „Karthäuser“ gibt es bis ein Uhr nachts warmes Essen! Lukurello wiederholt: Bis ein Uhr nachts! Die ganze Speisekarte!

Wer als Nachtschwärmer je in Würzburg gelitten hat, kann ermessen, was das bedeutet. „Gegenüber“ heißt übrigens nicht mehr, dass sich die flatterhaften Künstler des Musentempels hier noch groß sehen lassen. Das war in anderen Zeiten anders. Stichwort „Hendl“. Heimatf l ü c h t - ling Roos hat das dialektal umgefärbt, auf der Speisekarte ist von „Hähnchen vom Grill“ die Rede, und der eingefleischte Würzburger sagt sowieso „Göger“. Sogar für Würzburg-Touristen sichtbar, drehen sie sich öffentlich Tag und Nacht am Spieß. Diskussionen sind hier unerwünscht und überflüssig, Lukurello ist da sehr apodiktisch: Es sind die besten Hähnchen der Welt. Punktum. Der Gegenbeweis kann sowieso nicht erbracht werden.

Als Lokal- Therapeutikum aber sind sie von unschätzbarem Wert: Wenn es Lukurello schlecht geht, wenn er in Würzburg Weltschmerz hat, dann tröstet er sich mit einem „Karthäuser“-Hähnchen. Die Welt ist danach wieder in Ordnung und Würzburg erträglich. Viele schwören auch auf die abenteuerliche Ergänzung der als „Wirtschaftszeitung“ herausgegebenen Speisekarte: Pizza in vielen Variationen. Nun, wer einmal wissen will, wie sich fränkische Deftigkeit mit italienischer Rustikalität verträgt, sollte Hunger mitbringen – er wird aber nicht enttäuscht werden. Beim letzten Besuch wagte sich Lukurello jedoch wieder einmal an ein ofenfrisches Schweineschäufele, fand aber, daß hier im Vergleich zum oberfränkischen Schäufeleparadies in Bamberg und um Bamberg herum der „Karthäuser“ noch ein bißchen im Fegefeuer schmoren muß. Da sind noch Steigerungen möglich. Wer wissen will, wie groß eine halbe knusprige Ente sein kann, erhält dagegen staunenswerten zoologischen Nachhilfeunterricht: sehr groß und sehr knusprig und ordentlich delikat. Nur mit einem hadert Lukurello immer wieder, stößt aber auf taube Ohren: Es gibt im „Karthäuser“ keine Karthäuser- Klöße! Eine urfänkische Nachspeise aus klösterlicher Tradition, mit Weinschaumsauce fränkischer Provinienz ein Gedicht ohnegleichen - von fast allen Speisekarten verschwunden, ein Jammer… Wenn der „Karthäuser“ sich da selbst beim Namen nehmen könnte – Lukurello würde es in den höchsten Tönen preisen!

Bildnachweis: Mario Trott

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