Lukurello scheitert am chinesischen Essen in Deutschland

von Lukurello (erschienen in Ausgabe 9/2011)

Klassisch gebildet, wie er nun einmal ist, rechnet Lukurello wie die alten Römer ständig damit, dass ihn das Fatum, das Schicksal jederzeit treffen kann. Und manchmal fordert er das Schicksal auch heraus….

So geschah es neulich wieder, als Lukurello einem relativ ehernen Grundsatz zuwiderhandelte. Dieser Grundsatz lautet: Gehe in deutschen Landen nicht chinesisch essen! Da er aber wieder einmal die Probe aufs Exempel machen wollte, suchte er das China-Restaurant „Neue Welt“ gegenüber dem Würzburger Hauptbahnhof auf.

Und siehe da: Das Schicksal ereilte ihn. Nun möchte Lukurello vorausschicken, dass er ein großer Freund der chinesischen Küchen (der Plural wird gleich erklärt) ist. Diverse Aufenthalte dort, wo diese Küchen ihren Ursprung haben und zahlreiche Besuche in sehr guten Lokalitäten in London, New York oder San Francisco haben seine Sinne geschärft. Und so weiss er beispielsweise natürlich dass es schon einmal unsinnig ist, von „chinesischer Küche“ zu sprechen. Die gibt es nämlich nicht.

Das große Reich der Mitte hat viele Regionalküchen hervorgebracht, die sich beträchtlich voneinander unterscheiden, was Zubereitungsarten und Zutaten betrifft. Dort, wo wirklich originale Restaurants existieren, wird man diese Differenzierungen stets finden. Da heißt es dann kantonesische Küche, Shanghai-Küche, Peking-Küche, Hunan- und Sichuan-Küche. In deutschen China-Restaurants findet man derlei jedoch nicht. Sie haben alle das gleiche Einheits-Dekor und bieten alle die gleiche Einheitsküche, die mit wirklichem chinesischen Essen sehr wenig bis gar nichts zu tun hat.

Dass dennoch überall chinesische Restaurants wie Pilze aus dem Boden geschossen sind, ist ein Phänomen, das Lukurello durchaus mit Verblüffung wahrgenommen hat und das ihn immer reizt, das Schicksal herauszufordern. Dem Vernehmen nach soll es mittlerweile in der Bundeshauptstadt Berlin mit den differenzierten chinesischen Küchen besser bestellt sein – in Würzburg jedenfalls ist dies nicht der Fall.

Die „Neue Welt“ sieht so aus, wie alle einschlägigen China- Restaurants hierzulande aussehen, und sie bietet auch die gleiche Speisekarte: Was heißt, es gibt immer Rind, Schwein, Hühnchen, Ente, Fisch und Vegetarisches mit den jeweils gleichen Zutaten und der typischen Einheitssoße. Das ist weit entfernt von der enormen Vielfalt der originalen Küchen, die ihre Speisen zudem nach gesundheitlichen, philosophischen und astrologischen Aspekten kreieren.

Neben der Karte wird in der „Neuen Welt“ ein preiswertes Buffet angeboten – da es optisch durchaus anzusprechen wusste, entschied sich Lukurellos Begleitung dafür. Doch schon bald stocherte sie im Essen herum und fand es fade und wenig delikat. Lukurello selbst versuchte den Wunsch an die Küche durchzugeben, ein „originales“ Gericht probieren zu wollen.

Man versprach „echte, sehr scharfe“ Shanghai-Küche – serviert wurde das hinlänglich bekannte Kung Bao-Hühnchen, das im Original schon einmal aus der Sichuan-Küche stammt und keineswegs aus Shanghai. Es hatte auch sonst keine Ähnlichkeit mit dieser Delikatesse, die mit einer sehr speziellen Soße zubereitet wird. Von Schärfe überhaupt keine Spur, dafür die übliche Sojasoße-Glutamat-Mischung, die eine gewisse Würze vorgaukeln will, aber nur die völlige geschmackliche Leere dieses Pseudo-Gerichts übertüncht.

Wie kaum anders zu erwarten, lag Lukurello das Ganze dann auch recht lange schwer im Magen – und bestärkte ihn im Vorsatz, in Bezug auf chinesisches Essen hierzulande das Schicksal so schnell nicht wieder herauszufordern.

Bildnachweis: Mario Trott

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