Im Becken des Float Schweinfurt verschwimmen die Grenzen

von Petra Jendryssek

Das etwas mehr als knöcheltiefe Wasser in dem glatten weißen Becken fühlt sich an wie gewöhnliches Wasser. Kuschelsocken ähnlich hüllt die klare Salzlösung erst meine Füße, dann meinen gesamten Körper in wohlige Wärme, als ich mich aus meiner Sitzposition in Rückenlage bringe. Schon verliere ich durch den enormen Auftrieb den Kontakt zum Beckengrund. Schaukle bereits sanft wie ein Blatt im Wasser, als die Zeitschaltuhr das Licht in dem knapp zehn Quadratmeter großen, mit schwarzen Fliesen ausgekleideten Raum des neu eröffneten Float Schweinfurt ausknipst und damit den letzten äußeren Reiz von mir nimmt.

Tiefe Schwärze um mich herum: Ich schließe die Augen und versuche, meine angespannten Muskeln zu entspannen. Nach wenigen Sekunden steht fest: ich gehe nicht unter. Loslassen ist eine Kunst, zuckt es durch meinen Kopf ... Eine Stunde vollkommene Reizlosigkeit in der vielgepriesenen Schwerelosigkeit liegt nun vor mir. Tiefe Entspannung lautet die Belohnung. Ich bin skeptisch. Wie fühlt sich Schweben an? Eine Stunde „Nichtstun“, nur mit mir selbst konfrontiert ...

Die Augen geschlossen, Oropax in den Ohren treibe ich in dem Becken, spüre jeder meiner zaghaften Bewegungen nach. Die Arme langsam ausbreitend, scheint sich mein Körper unentwegt ganz langsam zu drehen. Sobald ich mein Becken unmerklich anhebe, sinkt mein Kopf, streichelt das Wasser meine Wangenknochen. Reibe meine glatten Fingerspitzen unter der Wasseroberfläche aneinander, fühle kein Wasser. Wie viel Zeit wohl schon vergangen ist? Mutig geworden, teste ich die Beweglichkeit meiner Arme, Beine, meiner Wirbelsäule, winde mich wie eine Schlange, scheinbar knochenlos biege ich mich nach links, bald nach rechts, ohne jegliche Einschränkung. Ein dumpfer, sanfter Rumpler erst an den Fingerspitzen, dann am Kopf - erschrocken ziehe ich meinen Kopf ein. Bevor ich die Ecke noch richtig ertasten kann, schwebe ich schon wie ein Luftballon davon, um in den nächsten Sekunden bereits woanders zu sein.

Meine Muskeln sind völlig entspannt, vertrauen dem 35,5 Grad warmen Wasser, in dem 400 Kilogramm Magnesiumsulfat gelöst sind. Der Unterschied zwischen Innen und Außen, zwischen Wasser und warmer Luft scheint aufgehoben. Alles ruht im Gleichgewicht. So also fühlt sich Schweben an. Ein weicher Ölfilm umschmeichelt meine im Wasser liegende Haut, meine Fingerkuppen sind noch immer runzelfrei. Längst hat sich mein Kopf verabschiedet, ich bin ganz ich, ganz Körper, ganz eins, als mir das helle Licht jäh die Illusion des Schwebezustandes raubt. Ein kurzer Moment und ich komme wieder zu mir. Bin ich gar eingeschlafen? Ich weiß es nicht mit Gewissheit zu sagen. So kurz kann also eine Stunde sein.

Geduscht und wieder angezogen im Jetzt beantwortet mir Rebecca Haßfurther, die das Float Schweinfurt zusammen mit ihrem Partner Christian Hasler betreibt, alle meine Fragen. Nach einer Stunde weiß ich um die physiologischen Zusammenhänge und Auswirkungen der absoluten Reizlosigkeit. Bin fasziniert von dem Gedanken, dadurch linke und rechte Gehirnhälfte wie im Neugeborenenstatus ausbalancieren zu können. Ein Zustand, der süchtig machen könnte...

Bildnachweis: Float Schweinfurt

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