Geschminkte Wahrheiten: Der frisch gebackene Preisträger der Goldenen Maske, Wolfgang Weber

von Susanna Khoury (erschienen in Ausgabe 4/2019)

Wolfgang Weber fabriziert jeden Abend geschminkte Wahrheiten. Im Leporello-Interview ging es um die ungeschminkte Wahrheit in seinem Beruf.Geschminkte Wahrheiten: Der frisch gebackene Preisträger der Goldenen Maske, Wolfgang Weber, Chefmaskenbildner am Mainfranken Theater, über die Wahrheit in seinem Beruf

In der Leporello Serie „Was ist Wahrheit?“ habe ich mich dieses Mal mit einem langjährigen Wegbegleiter und Freund des Kulturmagazins Leporello unterhalten. Die Rede ist von Wolfgang Weber, seit 20 Jahren Chefmaskenbildner am Mainfranken Theater und frisch gebackener Preisträger der Goldenen Maske, der höchsten Auszeichnung, die Maskenbildner in Deutschland bekommen können. Er hat sich 15 Jahre lang im Mainfranken Theater im Musiktheater um jede Solopartie selbst gekümmert, niemand ging auf die Bühne, ohne vorher unter seinen Händen gewesen zu sein. Und auch mich hat er für „Fastnacht in Mainfranken“ einmal in eine Hexe verwandelt (Was ist die Wahrheit?), ebenso unsere Kinderreporterin Linda für unser erstes Leporello-Plakat vor 17 Jahren. Sie war damals zwölf Jahre alt und ging von Wolfgang Weber geschminkt nach der offiziellen Fotosession nach Hause und wurde von der eigenen Familie nicht wiedererkannt und vor der Tür stehen gelassen! „Das ist das größte Kompliment, das man einem Maskenbildner machen kann, dass man die Maske für echt hält, sagt der 55-Jährige, der seit 33 Jahren in seinem Beruf, der gleichzeitig Berufung ist, arbeitet.

Am 30. März ist er nun in Düsseldorf mit der Goldenen Maske ausgezeichnet worden, nominiert von einem Kollegen aus Mainz, dem dortigen Chefmaskenbildner Guido Paefgen. „Die Wahrheit ist, dass diese Auszeichnung nur eine Momentaufnahme ist, ich bin nicht der beste Maskenbildner Deutschlands“, so der bescheidene Tuttlinger. Aber selbstverständlich freue er sich über den Preis, der sein Lebenswerk würdigte, und das noch zu Lebzeiten, während er voll im Berufsleben stehe.

Wie verhält es sich mit der Wahrheit hinter der Maske, wie wahr sind Masken und warum müssen Masken wahrhaftig sein? Über die Fragen haben wir uns in den Räumlichkeiten der Maske des im Umbau befindlichen Mainfranken Theaters unterhalten. „Meine Wahrheit als Maskenbildner ist es, die perfekte Maske für den Protagonisten auf der Bühne für diesen Abend zu schaffen“, betont Wolfgang Weber. Die Maske müsse den Künstler unterstützen, Sicherheit geben und auf keinen Fall übertünchen oder erdrücken. Sie müsse ihm helfen, wahrhaftig zu sein, dass er die Rolle möglichst authentisch verkörpern kann. Manchmal müsse man wie bei „Nixon in China“ bei der Figur des Machthabers Mao, möglichst nah an der historischen Figur dran sein. „Bisweilen heißt das auch drei Stunden in der Maske für einen Auftritt von zehn Minuten. Dann ist die Wahrheit manchmal kurz, aber sie muss dennoch echt sein“, so Weber. „Wir erschaffen die Wahrheit jeden Abend neu. Sie bleibt nicht, sie muss vor jeder Vorstellung in der Maske erneut ins Gesicht geschrieben werden.

Und wenn der Applaus vorbei ist, kommt die Schminke ab, die Perücke runter und die nackte Wahrheit des „wirklichen“ Lebens wieder zum Vorschein!“ Was ist Schein, was Sein? Eine Frage, die vor Leporello schon viele große Geister beschäftigt hat… Wenn die Maske perfekt ist und den Künstler zu Höchstleistungen antreibt, weil sie ihm Flügel verleiht für die Rolle, die er verkörpern soll, dann ist sie echt, wahr, wahrhaftig. Es ist die Wirklichkeit auf der Bühne, die sich von der des Lebens unterscheidet und doch oft wahrhaftig selbiges spiegelt. Was ist Sein, was Schein? Es entsteht auf der Bühne eine Parallelwelt, die manchmal echter ist als die Realität. „Und dennoch ist es Spiel nicht Sein“, sagt Weber. „Die Protagonisten geben eine Figur, sind nicht sie selbst, wie man sie privat kennt. Deshalb heißt es ja auch Schauspiel und nicht Schausein.“ Gutes Theater sei für Weber, dass man sich nicht langweile, dass man den Protagonisten ihre Rolle abnehme. Das bedeute, dass Sänger auch darstellerisch überzeugen müssen, um allgegenwärtig, authentisch und wahrhaftig zu sein. Als Beispiele etwa für Mozarts „König der Nacht“ nennt er Heidi Elisabeth Meier oder Diana Damrau. „Wahr ist ein Künstler dann, wenn er mich berührt, wenn er mich zum Lachen und Weinen bringt und nichts aufgesagt klingt“, plädiert der Maskenbilder für Echtheit.

Wahr ist für Wolfgang Weber in Bezug auf seinen Beruf auch, dass dieser Teamarbeit ist: „Ich habe die Auszeichnung nicht bekommen, weil ich als Einzelkämpfer so toll bin, sondern weil wir hier in der Maske im Mainfranken Theater ein tolles Team sind.“ Zugestehen muss man jedoch, dass jeder der neun Kollegen (plus zwei Teilzeitkräfte) von Weber ausgebildet wurden so dass, was in Theatern sehr selten ist, jede Maske auf der Bühne seine Handschrift trägt. „Wahr ist auch, dass man als Chefmaskenbildner Vorbild sein muss, Auszubildende anleiten und gut durch die Prüfung bringen sollte, generell für gute Stimmung im Team sorgen sollte und auch dafür, dass immer jegliches Material, das gebraucht wird, vorrätig ist“, so Wolfgang Weber. Der Maskenbildner mit Leib und Seele war lange Zeit mit seinem Beruf verheiratet, nun hat er einen Mann und zwei Hunde und ein Häuschen und kennt noch eine andere Welt als die des Theaters. Dennoch, egal was ist und war, er lebt seinen Traum und macht für andere Träume wahr, indem er den Schein in Sein verwandelt und jeden Abend geschminkte Wahrheiten fabriziert.

Das Interview mit Wolfgang Weber, Chefmaskenbildner am Mainfranken Theater, führte Leporello-Chefredakteurin Susanna Khoury.

Bildnachweis: © Norbert Schmelz Fotodesign

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