Christian Schad hat nun mit dem Schad Museum eine würdige Bühne in Aschaffenburg

von Renate Freyeisen (erschienen in Ausgabe 07/2022)

Spektakulär: Die Stadt Aschaffenburg eröffnete in ihrem Zentrum, im ehemaligen Jesuitenkolleg, ein großzügiges Museum für Christian Schad (1894- 1982). Auf drei Etagen widmet es sich einem der bedeutendsten Künstler der deutschen Moderne des 20. Jahrhunderts. Schad repräsentiert wichtige Strömungen der europäischen Avantgarde, Expressionismus, Kubismus, Dada, Abstraktion, Sachlichkeit, magischen Realismus; berühmt aber wurde er als Leitfigur der Neuen Sachlichkeit.

Über 40 Jahre lebte er in Aschaffenburg und Umgebung, kam für einen privaten Auftrag 1942 hierher, erhielt dann den gut dotierten öffentlichen Auftrag, eine Kopie der Stuppacher Madonna für die Stiftskirche zu fertigen, und blieb nach dem Kriegsverlust seines Berliner Ateliers 1943 am Untermain. Nach seinem Tod gründete seine Witwe Bettina die Christian- Schad-Stiftung und vermachte den gesamten Nachlass der Stadt Aschaffenburg mit der Maßgabe, Werk und Leistung ihres Mannes in einem Museum der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. 

Das Jesuitenkolleg von 1621, außen historisch, innen modern, erweist sich dafür als bestens geeigneter Ort. Außen an den Fassaden erinnern Verglasungen an Motive der Schadographie, an die von Schad erfundene Fotografie ohne Kamera, sein Spiel mit der Abstraktion.

Der Gang durch das neue Schad-Museum bedeutet auch einen Streifzug durch die Geschichte des vorigen Jahrhunderts, politisch wie künstlerisch. Im ganzen Haus markieren großformatige Reproduktionen von Fotografien die Stationen, an denen sich Schad im Verlauf seines Lebens aufhielt. Das Erdgeschoss, wie alle Räume mit dunkelblauen Wänden, vor denen die Gemälde leuchten, führt Schads Herkunft aus einer wohlhabenden Münchner Familie vor, die dem begabten Sohn schon früh ein Leben als Künstler ermöglichte. Erste expressionistische Holzschnitte entstanden.

Ab dem 1. Stock wird die weitere Entwicklung des Künstlers deutlich. In der Schweiz konnte er, unbehelligt vom Grauen des Krieges, sich ganz der Kunst widmen. Er experimentierte mit kubistischen Strömungen, schuf zuerst Grafiken, malte dann expressionistische, ausdrucksstarke Ölbilder von Insassen einer Irrenanstalt. Bald kam er in Berührung mit der Strömung des Dadaismus; 1918/19 entstanden abstrakte Holzschnitte, Holzreliefs, Fotogramme und Schreibmaschinenbilder. Ab 1919 entwickelte er die so genannten Schadographien, also ohne Kamera auf lichtem-pfindlichem Fotopapier abgebildete, meist zufällig gefundene Gegenstände. Ab 1920 studierte er in Italien die Alten Meister; sein Interesse an Menschen am dortigen Rand der Gesellschaft drückte er bildlich aus. Sein Stil änderte sich dabei, wurde eher sachlich. Sehr strenge, glatte Gemälde von Pater Anselmus und von Papst Pius XI. entstanden 1925 zum Heiligen Jahr. Auch wenn Schad später schreibt: „Mittelpunkt meiner Arbeit war und ist der Mensch“, wirken seine Porträts immer distanziert, kühl beobachtend. Dieser Zug sollte sich bei der Neuen Sachlichkeit weiter verstärken. In Wien entstanden ab 1925 bedeutende Werke dieses Stils, so etwa „Selbstbildnis mit Modell“. Die emotionale Kälte dieser Porträts, ihre stilisierte Gegenständlichkeit und glatten Körper sind Charakteristika der neu-sachlichen Schad-Bildnisse. Ihren Höhepunkt finden diese Darstellungen etwa im frontalen Porträt einer Mexikanerin, extrem symmetrisch geordnet.

In Berlin zeichnete und aquarellierte Schad Kleinkriminelle und Homosexuelle. Ab einem Paris-Aufenthalt 1929 wird sein Malstil etwas weicher, und seine Porträts von Frauen, etwa Filmstars oder Schauspielerinnen, waren gefragt als Titelblätter von Zeitschriften. Aber sein Eintritt in die NSDAP verhalf Schad letztlich nicht zum erhofften künstlerischen Erfolg. Nach dem Krieg war sein Spätwerk vor allem beeinflusst von mystischen und esoterischen Lehren; er ließ nun in seine Werke auch Magisches und Okkultes einfließen, und so entstanden Bilder des Magischen Realismus mit Symbolen aus Traumwelten. Immer wieder aber porträtierte er seine Frau Bettina, der er nun ein eigenes Museum verdankt.

Bildnachweis: Museen der Stadt Aschaffenburg Philipp Endemann

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