Kunsthalle Schweinfurt rückt mit Neuhängung politischen Diskurs in den Mittelpunkt

von sek (erschienen in Ausgabe 7/2019)

Farbgewaltig, imposant und Verbindungen zwischen den Werken und Künstlern knüpfend bietet die Neuhängung im Untergeschoss der Kunsthalle viele spannende Durchblicke.Mit ihrem Schwerpunkt, Facetten deutscher Kunst nach 1945 zu repräsentieren, hat sich die Kunsthalle Schweinfurt seit ihrer Eröffnung im Jahre 2009 überregional einen Namen gemacht.

Jetzt, zehn Jahre später, haben Kunsthallenleiterin Andrea Brandl und ihr Team das Profil hinsichtlich den im 20. und 21. Jahrhundert vorherrschenden Ausdrucksformen Abstraktion und Figuration mit einer kompletten Neuhängung und Ausweitung auf zwei Stockwerke weiter geschärft. Der Grund lag nicht zuletzt an den vielen, hochwertigen Kunstzugängen im Bereich Skulptur, Malerei, Videokunst, Fotografie oder Mixed Media in den vergangenen Jahren, darunter jüngst die Schenkung eines Konvolutes von 26 Spitzenwerken aus der Sammlung van de Loo aus München.

Durchschreitet man das Foyer in Richtung Dauerausstellung, vorbei an Werken der Münchner Bildhauerschule um Hans Wimmer, wird man vom offen-freundlichen Blick der Dame in Weiß von Leo Putz förmlich angezogen, um im Erdgeschoss einen Einblick in die Kunst der Nachkriegszeit mit den Schwerpunkten des deutschen Informel und neofigurativer Ausdrucksformen im Dialog mit internationalen und lokalen Bezügen zu bekommen. Einige zwischen 1918 und 1937 entstandene Schlüsselwerke im ersten Raum der ehemaligen Umkleidekabinen des Bades knüpfen dabei einerseits zeitlich bewusst an die Sammlung des Museum Georg Schäfer an, andererseits stehen sie stellvertretend für einen Stilpluralismus in der Nachfolge der europäischen Avantgarde in Paris und München.

Völlig neu ist die Präsentation der städtischen Sammlung im gesamten Untergeschoss. Durch den herrlichen Lichteinfall erhellt, wandert das Auge die hohen weißen Wände entlang, auf denen sich jetzt besonders die großen Formate frei entfalten können, dazwischen wohltuend auflockernd eindrucksvolle, zum Teil farbgewaltige bildhauerische Arbeiten, die eine luftig-leichte Atmosphäre ins Untergeschoss zaubern. Dabei geht es thematisch substantiell zu. Mit Blick auf den reichen Fundus wurde das Thema „Individuum und Gesellschaft“ in den Fokus gerückt und bietet gesellschaftspolitische Themen seit den 1950er Jahre an, die Deutschland seit der Teilung in zwei deutsche Staaten prägten. Folgerichtig spielt auch der Ost-West-Dialog um den Mauerfall bzw. das Wendejahr 1989/90 eine entscheidende Rolle, die Neuhängung bildet Akzente zu diesen zentralen Fragestellungen bis heute aus. Während im ersten Raum der Mensch im Fokus künstlerischer Aussagen steht, widmet sich der vierseitige Umraum unter dem Innenhof der seit der Antike bekannten Landschaftsdarstellung.

Breiteren Raum werden in der Zukunft auch fotografische Arbeiten und das Medium Video einnehmen, die bislang in der Kunsthalle nur ansatzweise zu sehen waren.

Mit einem der renommiertesten Vertreter der zeitgenössischen Bildhauerei eröffnet die Kunsthalle am 19. Juli die neue Sonderausstellung „Pokorny“ in der großen Halle, in der zukünftig ausschließlich die Sonderschauen zu sehen sein werden. Mit seiner Gestaltung des Hauses als Symbol der menschlichen Zivilisation schlägt Werner Pokorny auch gesellschaftspolitische Töne an und knüpft somit inhaltlich an die Neuhängung im Untergeschoss an. Das Verständnis des Menschen gegenüber sich selbst und der Natur, seiner Geschichte und Kultur sowie seines Strebens nach Macht und Selbstverwirklichung steht bis 8. September im Zentrum seiner beindruckenden Arbeiten aus Holz und Cortenstahl.

Bildnachweis: Peter Leutsch, VG BildKunst Bonn, 2019

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