Museum im Kulturspeicher widmet Ludwig von Gleichen-Rußwurm Sonderausstellung

von Renate Freyeisen (erschienen in Ausgabe 03/2022)

Ein Genuss, durch die schönen „Landschaften im Licht“ im Museum im Kulturspeicher zu spazieren und dabei den Maler Ludwig von Gleichen-Rußwurm (1834-1901), den Enkel Friedrich Schillers, als frühesten deutschen Impressionisten zu entdecken! Der einstige Herr auf Schloss Greifenstein ob Bonnland bei Hammelburg – heute Truppenübungsplatz – ist als Maler vergessen. Die umfangreiche Werkschau mit 25 Gemälden und über 80 Arbeiten auf Papier in Würzburg, wo der Großteil seines Nachlasses aufbewahrt wird, erweist ihn aber als herausragenden Künstler.

Schon als Jugendlicher erhielt er Zeichenunterricht, begann aber erst mit 33 Jahren nach dem Tod seiner Frau mit dem Kunststudium in Weimar. Die französische PlainAir-Malerei, das Malen vor der Natur, beeinflusste seinen Stil. Im Unterschied zu der in den Akademien gelehrten idealisierten Landschaft interessierte Gleichen-Rußwurm der unmittelbare Eindruck, die atmosphärische Stimmung von Tages- und Jahreszeit. Als „später“ Student erschloss er sich die Umgebung von Weimar,
indem er direkt vor der Natur Ölstudien anfertigte. So entstanden in den 70-er Jahren lockere Schilderungen in grauem Licht wie bei „Weiden im Februar“ oder hellere, sonnendurchflutete Landschaften.

Ein Hauptthema des Künstlers war die bäuerliche Arbeit. Sie bildete mit der Umgebung eine harmonische Einheit, etwa bei der Kartoffelernte. Oft führt ein Weg in den hügeligen Hintergrund, ferne Gehöfte zeigen Siedlungen an, Rauch steigt auf, Tiere erscheinen nur angedeutet, Helligkeit sucht sich Bahn zu brechen. Die Personen selbst sind nur schemenhaft oder in der Ferne bei ihrer Tätigkeit zu erahnen, nie als Individuen erkennbar. Sie scheinen ganz eins mit der vom Menschen erschlossenen Landschaft. Zum unmittelbaren Eindruck passt der flüchtige, mit dem Pinsel hingeworfene Farbauftrag. Gleichen-Rußwurm hielt beim Streifen durch die Umgebung das einfache Leben fest wie einen Abgesang auf eine vergehende Welt. In der wärmeren Jahreszeit hielt sich der SchillerEnkel in Bonnland auf, wo spontane Skizzen und Aquarelle, auch im fleckigen Farbauftrag über Vorzeichnungen entstanden, im Winter arbeitete er an Gemälden und Radierungen in Weimar.

Der zyklische Kreislauf bäuerlichen Lebens wie bei der Heuernte drückt sich aus in naturverbundenen Sehnsuchtsbildern. Den entscheidenden Impuls für die impressionistische Malweise dürfte die Kenntnis von Claude Montes Bildern gegeben haben. „Die große Bleiche“ zeigt das Neue mit kurzem, pastosen Pinselstrich und leuchtend heller Farbigkeit bei Grün in allen Schattierungen. Ähnlich atmosphärische Stimmungen enthalten Bilder, auf denen meist Damen der besseren Gesellschaft über Wiesen oder unter blühenden Apfelbäumen spazieren.

Die vom Menschen bearbeitete Natur wird zum Erholungsort, auch für eine Leserin im sonnenbeschienenen Schlossgarten. Der See im Veitshöchheimer Schlosspark verspricht Ruhe und Entspannung. Neben der Großstadt, festgehalten in flüchtigen Straßenszenen, war Gleichen-Rußwurm auch fasziniert vom Meer, von Aufenthalten an der Küste der Normandie, auf Norderney oder Helgoland mit einem unkonventionellen Blick von der Klippe; all dies hielt er in lockeren Aquarellen oder Radierungen fest. Sein letztes Bild, die „Landschaft mit Windmühle“, weist in der kraftvollen Dramatik schon auf Expressives hin. Bis 15. Mai 2022.

Bildnachweis: T. Goethe/Privatbesitz

Anzeigen