Zur Neuinszenierung der „Konkreten Kunst“ im Kulturspeicher Würzburg

von Eva-Suzanne Bayer (erschienen in Ausgabe 03/2011)

Nathan Cohen: Sisyphus IEs ist eine Lust zu schauen! Fünf Wochen lang war die seit 2002 im Kulturspeicher Würzburg beheimatete Sammlung der Konkreten Kunst von Peter C. Ruppert wegen Renovierung der sechs Räume und völliger Umarrangierung der Exponate geschlossen. Nun leuchten die Wände schneeweiß. Etliche Kojen und Stellwände wurden integriert, Spots setzen akzentuierende Lichter. Stimmige Gruppen wurden gestaltet, beredte Dialoge zwischen den Objekten entwickelt.

Der Betrachter ist zu einem Kammerspiel der Wahrnehmungen eingeladen. Und während er langsam durch die nun packend und gleichzeitig behutsam gegliederten Räume streift, lernen seine Augen Bachpartien und -partituren zu spielen. Seit ihrer Eröffnung wurde die Sammlung des Berliners Peter C. Ruppert, der die Kollektion sein „Lebenswerk“ nennt, immer noch energisch vorwärtsgetrieben, um fast 60 Prozent auf 381 Gemälde, Objekte und Plastiken erweitert. Beginnend mit der Entwicklungsgeschichte seit 1945 ist sie nach vorn offen und berücksichtigt auch die neuesten Strömungen - außer der Postmoderne - der Konkreten Kunstrichtung wie Software-Gestaltungen, bei denen visuelle Bilder von akustischen Impulsen erzeugt werden (Manfred Mohr, Martin Watz mit einer bestrickenden Arbeit, die ein bisschen wie ein elektronisches Ersatz- Aquarium aussieht). Marlene Lauter, unterstützt vom Sammler selbst, entwickelte ein fabelhaftes Raumkonzept mit glanzvollen Einzelauftritten (Vasarelys „konvexer“ Kugel), intimen Zwiegesprächen zwischen Formelementen und Bewegungsballetten in der kinetischen Kunst.

Wie groß, schlüssig und fesselnd das (meist) geometrische und aufs Äußerste reduzierte Spiel von Farben, Licht und Elementarformen sein kann, erlebt der Betrachter in jedem Abschnitt der Ausstellung. In den sechs Sälen über 1.850 Quadratmeter, vom Trompe l'oeil bis zur veritablen Beweglichkeit, vom „Flimmereffekt“ bis zur Transparenz, die sich je nach Lichteinfall verändert, wird die Wahrnehmung des Auges aufs Höchste herausgefordert und auf Möglichkeitsebenen geführt, die den Sinnen den Sinn schwinden und neu aufbauen sieht. In der neuen Präsentation wartet und lockt bei jedem Richtungswechsel das Abenteuer neuer Perspektiven, Aspekte und Durchblicke. Man sieht nur - inhaltlich- , was man sieht. Doch man entdeckt auch, was man - naturgemäß - nicht sieht. Ein außerordentlicher Genuss!

INFO:
Öffnungszeiten: Di 13 bis 18, Mi, Fr, Sa, So 11 bis 18 Uhr Do 11 bis 19 Uhr.
www.kulturspeicher.de

Bildnachweis: Kulturspeicher

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