Das Gunnar-Wester-Haus beherbergt die Ikonen-Sammlung Fritz Glöckle

Sind es die Farben, die bisweilen wirken, als liege ein Dunstschleier über ihnen? Die zarten Zwischentöne, ihre Transparenz? Eine erdige Aura, die mit warmen Goldtönen korrespondiert, geht von den schlanken Gestalten mit den weichen Gesichtern aus. Komposition und Farbwahl der Ikonen erzeugen nicht selten eine eigenwillige Spannung, der sich der Betrachter kaum entziehen kann. Oder ist es die Frömmigkeit, die aus all den Bildern spricht, die Fritz Glöckle in seiner Ikonen-Sammlung im Museum Gunnar-Wester-Haus in Schweinfurt zusammen getragen und einem öffentlichen Publikum zugänglich gemacht hat?

 

Es sind 106 russische Ikonen des 16. bis 19. Jahrhunderts, die hier ansprechend präsentiert werden, die einladen zur staunenden und demütigen Betrachtung. Einzeldarstellungen sind es, aber auch aneinander gereihte Miniaturen oder ganze Geschichten, die hier, auf Holz gemalt, von der Religiosität der Künstler zeugen. Astrein muss das für die Ikonenmalerei geeignete Erlen-, Eichen, Birken- oder Lindenholz sein, trocken, harzfrei und möglichst aus der Mitte des Stammes. Bevor der Ikonen-Maler beginnen kann, muss er eine schwierige und zeitraubende Prozedur erledigen:

Das Holz muss aufgeraut werden, eine mehrmalige Vorbehandlung der zu bemalenden Fläche mit Leim und untergemischtem pulverisierten Alabaster oder Kreidekalk wird neben etlichen weiteren Arbeitsgängen notwendig.

Berühmte Ikonenmaler waren Theophanis der Grieche, der 1345 nach Moskau kam und heute als der bedeutendste Maler Russlands gilt, und Meister Dionisij (1440 bis 1502). Sie und all die anderen bekannten und unbekannten Maler fertigten Heilige und Märtyrer, die es in der orthodoxen Kirche in einer schier unübersehbaren Zahl gibt. Dabei ließen alle Künstler ihren Ideen freien Lauf, variierten nuancenreich die immer gleichen Themen. Von Marien-Ikonen und Darstellungen der Gottesmutter gibt es ungefähr 300 verschiedene Typen-Versionen, während die Christus-Darstellungen den Gottessohn meist als Allherrscher zeigen. Es gibt Festtags-Ikonen, Kalender-, Jahres- und Monats-Ikonen, auch Falt-Ikonen, die auf Reisen und bei Kriegszügen mitgeführt werden konnten, und solche, die von einer Metallfolie oder gar mit Silber geschützt sind. Wer sich in Fritz Glöckles Sammlung auf eine meditative Betrachtung der edlen Holz-Bilder einlässt, begegnet all den Gestalten aus der Bibel, entdeckt dabei so manche Kuriosität, rückt aber auch ein ganzes Stück weit hinein in eine andere Kultur und entdeckt die Geheimnisse einer Religion. Gut informierende Schrifttafeln helfen dabei, sich einzudenken und zurecht zu finden. Für weitergehend Interessierte sei der 2001 erschienene und 144 Seiten umfassende Katalog zur Ausstellung mit zahlreichen Textbeiträgen und sehr guten Abbildungen empfohlen. Er ist für 20 Euro an der Museumskasse erhältlich.

INFO:
Das Gunnar-Wester-Haus am Martin-Luther-Platz 5 in Schweinfurt hat Freitag von 14 bis 17 Uhr sowie Samstag und Sonntag von 10 bis 13 Uhr und 14 bis 17 Uhr geöffnet.

Bildnachweis: Ruppert & Schmidt

Anzeigen