Tiepolo und seine Werkstatt im Martin von Wagner Museum in Würzburg

von Renate Freyeisen (erschienen in Ausgabe 11/2020)

Giambattista Tiepolo: Mucius Scaevola vor Porsenna, um 1750–1753.
Ein künstlerischer Geniestreich war die Ausmalung von Treppenhausdecke und Kaisersaal im prachtvollen Barockbau Balthasar Neumanns der Würzburger Residenz durch Giambattista Tiepolo. Doch dahinter steckte ein unermüdlicher Schaffensdrang, der sich in unzähligen Zeichnungen und kleineren Bildern äußerte. Das zeigt die Ausstellung anlässlich des 250. Todesjahrs des Meisters aus Venedig im Martin von Wagner Museum der Universität Würzburg.

Der Titel „Der Arbeit die Schönheit geben“ verweist auf all das, was Tiepolo und seine Werkstatt innerhalb von drei Jahren, von 1750 bis 1753, auch sozusagen „neben“ dem großen Auftrag geleistet haben an stimmungsvollen Zeichnungen mit Tusche, Rötel oder Kreiden auf eingefärbtem Papier als Studien oder Skizzen von Köpfen, Figuren oder szenischen Kompositionen oder an Radierungen bei „freien“, anlasslosen Erfindungen wie den rätselhaften „scherzi“ oder der Folge der „Flucht nach Ägypten“. So kann der Besucher nun im Ecksaal der Gemäldegalerie und dem anschließenden Raum anhand von über 100 grafischen Werken von Vater und Sohn Tiepolo, aber auch von seinem Mitarbeiter Georg Anton Urlaub, Maler aus Thüngersheim, Vorlagen für das große Ganze verfolgen und dabei den sicheren Strich, die atmosphärische Ausstrahlung der ausdrucksvollen Gesichter, die locker beherrschte Erfassung von Körpern, Gewändern oder Gruppen bewundern, sobald Corona das zulässt. Zunächst muss er vorerst auf eine digitale Führung ausweichen.

Eine weitere Attraktion bilden die kleinerformatigen Ölgemälde, die in der Würzburger Zeit während der drei Jahre in der Stadt entstanden, so der „Kopf eines älteren Orientalen“ und die drei Paare von Pendantbildern. Ihr Inhalt befasst sich mit Ereignissen aus der römischen Frühzeit, mit mythologisch-dichterischem Stoff und biblischen Themen. Gerade diese Gemälde mit ihrer zwischenmenschlichen Dramatik sind besonders schön präsentiert vor einer lila Wand mit Konsoltischen. Leider sind vom Bildpaar der Liebenden Armida und Rinaldo im Zaubergarten und ihrem schmerzlichen Abschied „nur“ die kleineren Bozzetti, also die Vorarbeiten zu den größeren Ölbildern, zu sehen; diese „Originale“ hängen einen Stock tiefer in den Staatsgemäldesammlungen der Residenz.

Doch auch so kann man sich faszinieren lassen von der bewegten Komposition der Figuren und der durch die Lichtführung erzeugten Akzentuierung auf den Frauen. Die hat Tiepolo besonders hervorgehoben in ihrer emotionalen Ausstrahlung als Heldinnen von tugendhaftem und mutigem Verhalten. Was an dieser in neun Kapitel eingeteilten Präsentation der Würzburger „Arbeiten“ von Tiepolo und seiner Werkstatt neben Treppenhaus- und Kaisersaalfresko so beeindruckt, sind das stete Ringen um die passende Form und der Erfindungsreichtum in den Zeichnungen. Davon ließen sich auch Tiepolos Sohn Giandomenico und Maler Urlaub anstecken. Dessen eigene Gemälde aber wirken im Vergleich mit dem Meister viel schwerer und lassen das Schwebende, leicht Bewegte, ja souverän Flirrende von Vater Tiepolo vermissen. Bis 31. Januar 2021


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Zur Ausstellung erschien ein über  300 Seiten starker Begleitkatalog (39.90 Euro).

Bildnachweis: bpk, Jörg Anders, André Mischke

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