Das Martin von Wagner Museum in Würzburg geht bis 25. Juni dem Verhältnis seines Namensgebers zur „Illias“ nach

von Renate Freyeisen (erschienen in Ausgabe 02/2023)

Der Kunstsammler des bayerischen Königs Ludwig I., Martin von Wagner, (1777- 1858), hat seiner Heimatstadt Würzburg einen großen Schatz vermacht, nämlich seinen umfangreichen künstlerischen und literarischen Nachlass, darunter rund 900 Zeichnungen und einige Gemälde, vor allem zur „Ilias“, also zu Homers Dichtung. Um dieses Werk dem Publikum heute wieder ins Bewusstsein zu rufen, ist in der Gemäldegalerie des Martin von Wagner Museums in der Würzburger Residenz ab 23. März die große Sonderausstellung „Antike erfinden“ zu sehen.

In sechs Kapiteln wird hierin seinem Verhältnis zu Homer nachgegangen: als Leser, Kenner, Maler, Zeichner, Erfinder und Ästhet. Ausgegangen wird von dem Riesengemälde Wagners, dem 3 mal 4,5 Meter monumentalen „Rat der Griechen vor Troja“, 1806/07 in Rom entstanden. Über mehr als 50 Jahre widmete sich Wagner den Bildern zur „Ilias“ in einem Zyklus von 140 Szenen. Aus der „Bilderflut“ und den vielen Blättern zu Homers Werk gibt es nun eine repräsentative Auswahl zu sehen, ebenso Antikenstudien und archivalische Quellen.

Der Deutschrömer hat damit nicht unerheblich zum Bild der Antike im 19. Jahrhundert beigetragen, mit klassizistischen und fast schon romantischen Akzenten. Prof. Damian Dombrowski hält dabei wesentlich für Wagners Impuls, das antike Epos zu illustrieren und neu zu erfinden, die humane Gesinnung des Bildschöpfers, denn die „Ilias“ behandle mehr als den Kampf um Troja: Sie zeige das Verhalten des Menschen in archetypischen Situationen, die universale Ohnmacht gegenüber einem willkürlichen Schicksal und das individuelle Aufbegehren dagegen, die Frage nach einem höheren Sinn angesichts enthemmter Grausamkeit. Selbst beim Irrsinn des Krieges besitzt die Anmut der lieblichen Gestalten der Götterbotin Iris und der Göttin Venus noch Macht gegenüber einem anstürmenden Kämpfer Diomedes, der den Helden Aeneas verletzt hat, dem aber schon vom Gott Apollo aufgeholfen wird. Diese Szene wird von Wagner mit wenigen sicher gesetzten Konturen mit großer Meisterschaft in der Erfassung der Körper dramatisch auf einer Zeichnung geschildert.

Wagners immenses Wissen über die Bild- und Sachkultur der Antike befähigte ihn auch dazu, diese Zeit in gewisser Weise neu zu erfinden. Auch wir sind dazu aufgerufen, das antike Erbe Europas schöpferisch zu verwalten. Leider geht das Wissen um dieses Erbe derzeit immer mehr verloren, aber es sollte wegen seiner humanen Botschaft nicht nur in Museen zu erleben sein.

Begleitend zur Ausstellung vom 23. März bis 25. Juni gibt es auch im Toscanasaal der Residenz eine Szenische Installation „Der Zorn des Achill“ unter Verwendung von Zeichnungen Martin von Wagners (24.-26. März). 

Bildnachweis: Martin von Wagner Museum

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