Hermann Nitsch mit seinen Schüttbildern zu Gast in der Jesuitenkirche Aschaffenburg

von Renate Freyeisen (erschienen in Ausgabe 11/2021)

Hermann Nitsch, Schüttbild mit Malhemd, 2010, Öl mit Blut auf Jute, 200 x 300 cm. Unten: Schüttbild. 2007, Acryl auf Leinwand, 200 x 300 cm

Einer der bedeutendsten Vertreter des "Wiener Aktionismus" wird ab 20. November die Kunsthalle Jesuitenkirche in Aschaffenburg mit dem "Mythos Passion" bespielen, nämlich Hermann Nitsch. Der 1938 in Wien geborene, oft umstrittene KŸnstler, präsentier in ungezählten Ausstellungen weltweit, hat zuletzt in diesem Jahr Aufsehen erregt mit dem Bühnenbild für die Wagner-Oper "Die Walkyre" in Bayreuth.

Dabei entstanden während der Aufführung großformatige Schüttbilder, die allerdings nach Meinung mancher Kritiker vom musikalischen Geschehen durch die herunterklatschenden Farbströme ablenkten. Aber Nitsch hat schon immer im Zuge groß angelegter Aktionen seine künstlerischen Vorstellungen vom Zusammenwirken von Theateraktionen, Musikklängen und Farbflüssen realisiert; so setzte er in seinem Schloss Prinzendorf in …sterreich dafür etwa Lärmorchester, Schreichšre und elektrisch verstärkte Instrumente ein. Er selbst ist auf seinen großformatigen Bildtafeln optisch oft präsent durch seine eingefügten Malhemden, die durch die Anordnung fast erinnern an Kreuzigungen und auch Assoziationen hervorrufen an das Schweißtuch der Veronika. Diese Bezüge zu religiösen Mythen und christlichen Traditionen führten dazu, dass man seine Arbeiten fälschlicherweise als blasphemisch diffamierte, vor allem als er dabei auch Blut einsetzte.

Häufig verwendet er auch gleichbedeutend Rot. Mit dieser Farbe weist er hin auf das Leben und die Schöpfung, auf Werden und Vergehen und den Zusammenhang mit seiner künstlerischen Aktion, die auf die ganze Natur und die Umgebung ausstrahlen soll. Er vollzieht seine Mal-Aktion in einer Art "Rauschaufwallung", wenn die Farben wie in einem dionysischen Exzess über das Bild fließen, den Untergrund, etwa das Malerhemd als Symbol des Schöpfergeistes, also auch der handelnden Person zerstören und gleichzeitig Neues aufbauen. In Aschaffenburg wird Nitsch das Halbrund der Apsis des ehemaligen Kirchraums mit einem riesigen innovativen Werk bespielen.

Außerdem sind fünf großformatige Schüttbilder aus der Sammlung von Dr. Gunther Jaegers zu sehen. Sie bezeugen, dass der skandalumwitterte Nitsch fasziniert ist von der kreativen Kraft von Farben und von ihrem Sprit getragen wird. Sie dürfen fließen, klecksen, scheinbar zufällige wolkige Formen oder farbige Eruptionen bilden, impulsive Visionen von rational nicht fassbaren Vorgängen in heftig bewegten Farb-Welten hervorrufen und die Betrachter beeindrucken durch die schöpferische Aktivität dieses singulären Künstlers, ohne dass man diese innere Kraft wirklich erfassen kann. Bis 27. Februar 2022

 

Bildnachweis: Nitsch Foundation, Wien 11

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