Kunsthalle Aschaffenburg holt den Maler Albert Weisgerber aus dem Schatten

von Renate Freyeisen (erschienen in Ausgabe 11/2022)

Mit einem „Grenzgänger der Moderne“, dem Maler Albert Weisgerber (1876-1915), erinnert die Kunsthalle Jesuitenkriche Aschaffenburg, ab 26. November an eine der großen „Begabungen der Kunst des frühen 20. Jahrhunderts“ zwischen Jugendstil, Impressionismus und Expressionismus.

Der zeichnerisch talentierte Weisgerber, heute fast vergessen, Sohn eines Bäckers aus St. Ingbert, konnte nach kurzer Lehrzeit als Dekorationsmaler in Frankfurt die Kunstgewerbeschule in München besuchen. 1897 trat er in die Akademie der Bildenden Künste in München ein und wurde dort Mitglied der Malklasse von Franz von Stuck, wo Hans Purrmann, Paul Klee und Wassily Kandinsky seine Mitstudenten waren. Danach fand er sein Auskommen als Dekorationsmaler und Illustrator, fiel nach Anfängen im Jugendstil bald auf mit Bildern, die seine Auseinandersetzung mit dem Impressionismus zeigten, beschäftigte sich auch mit Freilichtmalerei etwa bei Ausflügen in den Bayerischen Wald und verkehrte in progressiven Münchner Künstlerkreisen.

Einen wichtigen Einfluss übten seine Paris-Aufenthalte 1905 bis 1907 auf ihn aus, wo er sich dem berühmten Café du Dôme anschloss. Besonders beeindruckt war er von Matisse, Toulouse-Lautrec und vor allem von Cézanne, was sich in seinem Malstil, dem locker einen Körper oder Gegenstände umreißenden, modellierenden Farbauftrag niederschlug, etwa bei häufig diagonal gelagerten Aktstudien. Seine Farbgebung wurde nun heller, er malte flächiger, blieb stets der realen Welt verhaftet. Im Vordergrund stand das Menschenbild. So schuf er viele Porträts, Selbstbildnisse, Akte, Café- und Jahrmarktsbilder, auch einige Gemälde von Landschaften und Stadt-Szenen sind vorhanden.

Unter dem Eindruck seiner Italien-Reisen, in der Auseinandersetzung mit der Kunst der Renaissance, entstanden biblischreligiöse Szenen. Eine Gestaltfaszinierte ihn besonders, die Figur des Heiligen Sebastian und seines Martyriums. Sie war für ihn so etwas wie ein Symbol für den modernen Künstler. Große Figurengruppen beschäftigen sich bei ihm mit mythologischen Stoffen. 1913 wurde Weisgerber Gründungsmitglied und erster Präsident der Neuen Münchner Sezession. Dort feierte er auch seine erste Ausstellung. Die Darstellung des Propheten Jeremia oder die Gestalt des Absalom 1914, ein Bild mit schon expressionistischen Zügen, scheinen wie eine Vorahnung auf das Kommende: Weisgerber wurde als Offizier zum Ersten Weltkrieg eingezogen und fiel 1915 in Französisch-Flandern. So fand jäh das Schaffen eines zu großen Hoffnungen berechtigenden Künstlers im Alter von 37 Jahren ein Ende. Bis 26. Feburar 2023

Bildnachweis: Hamburger Kunsthalle/bpk

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