Kunsthalle Schweinfurt ehrt das Multitalent Hans Platschek mit einer Retrospektive

von frey (erschienen in Ausgabe 02/2023)

Zum 100. Geburtstag des Malers Hans Platschek veranstaltet die Schweinfurter Kunsthalle ab 17. März eine umfassende Retrospektive unter dem Motto "Höllenstürze Hahnenkämpfe Nette Abende". Dieser Titel umreißt nur vage das vielgestaltige Werk dieses Multitalents, des Malers, Karikaturisten, Kunstkritikers und Essayisten.

Der in Berlin geborene Platschek emigrierte mit seiner Familie 1939 nach Uruguay auf der Flucht vor den Nazis, denn seine geliebte Mutter war Jüdin. Er studierte Kunst in Montevideo, veröffentlichte antifaschistische Karikaturen, hatte erste Ausstellungen in Südamerika, kehrte aber 1953 nach Deutschland zurŸck, befreundete sich mit vielen Künstlern, unter anderem dem Dänen Asger Jörn, lebte zunächst in München, dann in Rom, ab 1964 in London, schuf zuerst einige informelle Werke, wandte sich aber ab den 1960er Jahren gegen Informel und Tachismus und ab den 70er Jahren der figürlichen Malerei zu.

Nach mehreren internationalen Stationen siedelte sich Platschek in Hamburg an, griff ein in Diskurse über die Entwicklungen in der Kunst in Büchern, Diskussionen und Radiobeiträgen. Nach vielen Veröffentlichungen, Ehrungen und Ausstellungen, etwa 1958 auf der Biennale in Venedig oder 1959 auf der Documenta II in Kassel, starb er im Februar 2000 in Hamburg.

Platscheks künstlerisches Werk orientiert sich oft an der verletzten oder erniedrigten Kreatur. Selbst bei den unbetitelten abstrakten Lithografien ahnt man Gegenständliches. Geprägt hatte ihn zuerst seine Studienzeit in Montevideo, wo er farb-fleckige Szenen oder Bilder in eher düsteren Farben malte, aus denen man das Gemeinte gerade so erschließen konnte. Nach der Rückkehr nach Deutschland entstanden Acrylgemälde, die durch darüber gelegte, nervös bewegte schwarze Tachismen das Gemeinte unklar scheinen lassen. Platscheks Werke sind damals verschlüsselt im Dialog zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit. Ab den 70er Jahren wird der Maler deutlicher, indem er fast krass realitätsnah auch sich selbst satirisch darstellt als "Wunschkind" oder eine "Führungskraft" karikiert.

Sein Stil- und Motivwechsel war eine Reaktion auf die neokonservativen Tendenzen in Politik und Kultur. Er litt an der Welt und beim Blick auf Gesellschaft und Kunst. Das zeigt auch das provokante Bild "über die moderne Kunst" mit dem schwerfällig-dumpfen Mann hinter dem massiven Schreibtisch und seinen blank geputzten Schuhen. Der späte Platschek erinnert sich in mehreren Bildern an sein Exil, an den Hafen von Montevideo oder zeigt sich verletzt im Selbstbildnis, etwa mit Krücke oder Narbe, über das er scheinbar zufällige Linien legt oder Farbe herunterfließen lässt. Bis 11. Juni.

 

Bildnachweis: Stiftung Van de Loo, Peter Vopelius, Kunsthalle Schweinfurt

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