„Herkunft & Verdacht“ bis 24. Februar in der Städtischen Galerie im Kulturspeicher

von Eva-Suzanne Bayer (erschienen in Ausgabe 10/2018)

Rudolf Gudden: Mädchen mit Wasserkrügen von 1911, erworben im Jahr 1943 beim Kunsthaus Wilhelm Ettle in Frankfurt a. Main.Sie gehört schon seit jeher zum Lernprogramm eines jeden Kunsthistorikers, hat aber erst seit dem Fall „Gurlitt“ so richtig Fahrt aufgenommen: die Provenienzforschung.

Obwohl es schon kurz nach dem Krieg internationale Bemühung gab, Kunstwerke, die in den Kunsthandel, in Museen oder in Privatbesitz gelangt waren, weil die Vorbesitzer sie im NS-Regime weit unter Wert – verfolgungsbedingt - verkaufen mussten oder enteignet wurden, an die ursprünglichen Eigentümer zurückzugeben, tat sich wenig.

Auch die Washingtoner Konferenz 1998 und die Einrichtung der Lost-Art- Datenbank waren nicht so wirksam wie der Skandal um die „Münchner Raubkunst“ 2013. Jetzt endlich wird überall fleißiger geforscht - auch in Würzburg, wo Recherchen besonders nötig sind.

Denn die Sammlung der Städtischen Galerie, die im Museum Kulturspeicher zu finden ist, entstand wesentlich in den Jahren 1941-1945 unter dem Gründer Heiner Dikreiter, der die Galerie bis zu seinem Tod 1966 leitete.

Seit 2014 durchforscht Beatrix Piezonka die Bestände aus dieser Zeit in mühsamer Spurensuche nach den Vorbesitzern, ermittelte die Objektbiografie von 5178 Werken, die Dikreiter, ausgestattet mit einem dicken Ankaufetat, erworben hatte.

3231 Gemälde und Arbeiten auf Papier hatte er von Künstlern selbst oder deren Erben erworben oder geschenkt bekommen. Sie gelten als unbedenklich.

227 Gemälde aber stammen von Kunsthändlern oder Privatpersonen - und hier gilt es, die Vorgeschichte genau zu ermitteln.

Nach 1938 waren Juden zu einer Vermögensabgabe, wenn nicht zu einer Zwangsablieferung ihrer Wertgegenstände - somit auch Kunstwerke - gezwungen, sondern bezahlten auch hohe „Reichsfluchtsteuer“, wenn sie das Land verlassen wollten. Oft veräußerten sie ihre Habe weit unter Wert. Jüdische Galerien oder Kunsthandlungen wurden „arisiert“.

Da Dikreiter gern bei nutzniesenden Händlern zum Beispiel bei Wolfgang Gurlitt in Berlin einkaufte, ist gerade bei diesen Objekten Vorsicht geboten.

Piezonka fand heraus, dass drei Gemälde, vielleicht sogar vier, „belastet“ sind; 69 wurden, da die Liste der Vorbesitzer lückenhaft ist, in die Lost-Art- Datenbank eingegeben.

Vier Jahre Puzzlearbeit In der üppig beschrifteten Ausstellung „Herkunft & Verdacht“ (bis 24. Februar 2019) in den Räumen der Ständigen Sammlung der Galerie (1. OG Raum 3, 4) im Kulturspeicher wird nicht nur eine vierjährige Puzzlearbeit deutlich und äußerst anschaulich.

Es tun sich Abgründe auf in tragische Schicksale, aber auch Schuld und Niedertracht, Gier und Gewissenlosigkeit. Längst ist die Arbeit von Beatrix Piezonka nicht zu Ende: Nach dem Krieg und nach seiner „Entnazifizierung“ machte Dikreiter bis zu seinem Ausscheiden aus dem Amt des Galeriedirektors weiter wie bisher, kaufte bei dubiosen Händlern ein und scherte sich nicht darum, aus welchen Quellen die Arbeiten stammten.

Aber da war er ja nicht der Einzige. Eine informative, hochbrisante, kluge Ausstellung.

INFO: www.kulturspeicher.de

Bildnachweis: Museum Kulturspeicher /Andreas Bestle

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