Die Anfänge der Fotografie im Schweinfurter Museum Georg Schäfer

von Renate Freyeisen (erschienen in Ausgabe 11/2021)

In unserer bildfixierten Zeit kann man sich kaum vorstellen, wie hungrig früher Menschen darauf waren, etwas "Authentisches" von sich und anderen zu sehen. Erst die Fotografie ermöglichte dies. Das Museum Georg Schäfer in Schweinfurt führt nun mit einer äußerst reich bestückten Schau aus der Sammlung Hans Gummersbach unter dem Motto "Neue Wahrheit? Kleine Wunder!" in die Anfänge der Fotografie ein.


Vorläufer gab es einige, so die Camera obscura oder mehrschichtige Kulissenbilder, frühe Porträts nach Silhouetten, raffinierte Dioramen oder Polyoramen. Louis Daguerre, ein versierter Landschaftsmaler, aber erfand 1830 die Ablichtung auf einer mit einer Jodsilberschicht überzogenen Kupferplatte; so entstand ein seitenverkehrtes Bild, das durch eine Salzlösung fixiert und mit Deckglas gesichert wurde, ein Unikat, das nicht vervielfältigt werden konnte. Wegen der langen Belichtungszeit durfte man sich nicht bewegen, damit nichts verwackelte; deshalb gab es Konstruktionen zum Stillhalten oder Fixieren des Kopfes, was sich in Karikaturen niederschlug.

Auch William Talbot entwickelte ein Verfahren zum Fixieren von Bildern auf Papier; sie konnten zwar vervielfältigt werden, waren aber oft undeutlich und sehr lichtempfindlich; deshalb sind sie im Museum mit Schutzvorhang gesichert.

Die gestochen scharfen Daguerrotypien dagegen wurden oft koloriert, schön gerahmt oder sogar als Schmuckstücke getragen. Sie gewähren uns heute einen Einblick in die Selbstdarstellung des bürgerlichen Mittelstandes im 19. Jahrhundert. Auch wenn vieles auf den ersten Fotografien spontan erscheint - alles ist inszeniert, die süßen Kinder, die lustigen Freunde, die vielen Familienporträts.

Mit einem speziellen Ansichtsgerät, 1851 auf der Londoner Weltausstellung vorgeführt, konnte man auch dreidimensionale Bilder bewundern. Vor allem wenig oder gar nicht bekleidete weibliche Körper gefielen dem männlichen Publikum, und eine "Odaliske" zitierte sogar das berühmte Gemälde von Ingres (siehe Foto oben). Bekannte Künstlerinnen ließen sich ablichten, etwa Madame Célestein ihrer Rolle als Indianermädchen.

Das Zentrum der Fotografie, die sich bald über die ganze Welt ausbreitete, war Mitte des 19. Jahrhunderts Paris. Dort kamen in Mode die kleine Carte-de-visite mit Porträt-Aufnahmen, auf Karton aufgezogen, und Architekturaufnahmen, Stadtansichten, Reiseerinnerungen, etwa aus Ägypten, und sogar Stillleben waren Sujets der Fotografie. Weitere Verfahren, um lange Belichtungszeiten oder gefährliche Chemikalien zu umgehen, wurden entwickelt. So wurden ab 1876 auch Porträts berühmter Zeitgenossen verbreitet, so von Jacques Offenbach oder Charles Baudelaire. Aus philanthropischen Motiven fotografierte in England John Thomson die arme Bevšlkerung im Zentrum von London Ð eindrucksvolle Bilder, ein krasser Gegensatz zu den herausgeputzten Bürgerinnen und BŸrgern in repräsentativer Pose! Bis 9. Januar 2022


Bildnachweis: Collection H. G.

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