Museum im Kulturspeicher beleuchtet in einer Sonderschau die dunkle Seite des Lebens

von Renate Freyeisen (erschienen in Ausgabe 01/2023)

Kann man das Böse künstlerisch darstellen? Was ist das Böse überhaupt? Mit solchen Fragen beschäftigt sich das Würzburger Museum im Kulturspeicher bei „Die Errettung des Bösen – Mögliche und unmögliche Bilder“. Kurator Michael Müller kommt dabei zu dem Urteil der „Banalität des Bösen“. Mit seiner großen Installation über zwei Stockwerke vor schwarzen Wänden nähert er sich Erscheinungsformen des Bösen. Es beginnt mit dem Vergleich von Skulpturen. Den Plastiken der von den Nazis als „entartet“ diffamierten Emy Roeder sind gegenübergestellt moderne, zeitgenössische Werke von Elsa Sahal, die Körperteile zeigen, aber ein „Sitzender Knabe“ belegt, was die Nazis damals schätzten. Durch ein Loch in der Wand ist eine Hitler-Büste zu sehen. Harte Gesichter sowie ein Mutterorden belegen, was von Frauen im „Dritten Reich“ erwartet wurde. Ein Doppelporträt, ein frühes, harmlos wirkendes Selbstbildnis Hitlers und ein späteres mit „Schnauzer“ in Grün, zeigen die Verwandlung zur angeblich bedeutenden Person.

Die Installation für ein Fernsehstudio „Anne Franks Geburtstagskuchen“ weist darauf hin, wie auch schreckliches Leid durch scheinbar unverfängliche Bilder kommerzialisiert werden kann. Die nächste Abteilung befasst sich mit Vergleichen, etwa von Neuschwanstein von Andy Warhol mit einer Hitler-Zeichnung. In über 200 Einzeltafeln auf einer ganzen Wand wird man verunsichert durch scheinbar nicht zueinander passende Vergleichs-Parameter.
Problematisch ist die Festsetzung von Standards, was natürlich, was „normal“ sei. Das mündete bei den Nazis in die „Rassenkunde“ des deutschen Volkes oder in die Euthanasie. Schon immer versuchten Menschen, sich des „Bösen“ zu entledigen; so erschauert man vor einer Liste von Hexen, die einst in Würzburg verbrannt wurden. Dass heute gewalttätige Videospiele, die mit der Tötung von Menschen spielen, nicht verboten werden, verwundert. Der homosexuelle Body-Artist Albrecht Becker, von den Nazis verhaftet und ins Arbeitslager geschickt, galt damals als „nutzlos“, zeigt aber auf Fotos mit Tätowierungen, dass er sich schön findet. Auch die Hinrichtung eines Elefanten, der seinen Wärter getötet hatte, wirft Fragen nach dem Wert des Lebens auf.

Im Christentum war „das Böse“ quasi materialisiert in der Gestalt des Teufels, sichtbar an einem barocken St. Michael. Heute ist zu fragen, ob das Böse im Menschen angelegt sei. In der Natur gelten gewisse Naturgewalten als schlimm, schmerzhaft zu hören am Gewitterdonner. Während Hitler-Freund Hermann Gradl eine Reihe von harmlos-lieblichen Landschaften malte, besteigen Menschen trotz aller Gefahren für ihr Leben die höchsten Berg-Gipfel, dargestellt als Gips-Stelen; nur der heilige Berg Kailash bleibt von ihnen verschont.

Die Bronze von Hans Josephsohn wirkt wie ein Lehmklumpen, wie eine Erinnerung an die Schöpfung, und mahnt an das, was die Gesellschaft erst aus Menschen macht. Den eindrücklichen Schlusspunkt der Ausstellung bildet der Birkenau-Zyklus von Gerhard Richter (2014); dieser wollte Fotos aus dem KZ Auschwitz-Birkenau malen, war aber mit dem Ergebnis unzufrieden, bearbeitete alles aber so, dass das Figurative völlig verschwand und abstrakte Formen übrigblieben. Dies zeigt, dass Bilder des Grauens niemals eine authentische Sicht bieten können, dass sie eigentlich nicht „malbar“ sind. Kunst stößt hier an ihre Grenzen. Bis 19. März 2023.


Bildnachweis: Robert Schittko_courtesy Studio Michael Müller

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