Industriekultur als neuer KulTour Pfad Franken

von FR

Ein „Zauberschrank mit immer neuen Schubfächern” sei Franken, begeisterte sich bereits im 19. Jahrhundert der Reiseschriftsteller Karl Immermann. Heute liegen mit der prachtvoll-barocken Würzburger Residenz, der mittelalterlichen Bamberger Altstadt und dem beeindruckenden römischen Erbe „Raetischer Limes“ gleich drei der fünf bayerischen UNESCO-Welt-erbe-Stätten in Franken. Prächtige Kirchen und vornehme Residenzen, wehrhafte Burgen und geschäftige Reichsstädte, kulinarische Genüsse wie edler Frankenwein, süffiges Bier und regionale Spezialitätenküche sind Gründe, warum es zahlreiche Besucher aus aller Welt nach Franken zieht.

Franken als Motor Bayerns

Industriekultur hingegen ist ein Schlagwort, das sich vielen Reisenden im Zusammenhang mit Franken nicht als erstes aufdrängt. Dabei war Franken der Motor der Industrialisierung in Bayern im 19. und frühen 20. Jahrhundert. In kaum einem anderen Kapitel der Menschheitsgeschichte änderten sich Lebensumstände und Arbeitswelten so grundlegend und rasant wie während der „industriellen Revolution”. Heute laden modern konzipierte Museen und alte Produktionsstätten von Handwerk und Industrie zum Besuch ein und damit zum Erleben einer faszinierenden Epoche. Der Tourismusverband Franken stellt die fränkischen Museen zur Industriekultur nun in einer neuen, 116 Seiten starken Broschüre vor. „Industriekultur. 200 Jahre Technik in Franken“ heißt sie und ist auch ein Wegweiser über den neuen gleichnamigen KulTour Pfad Franken.

KulTour Pfad Franken

Das Projekt KulTour Pfad Franken, 2004 vom Haus der Bayerischen Geschichte initiiert und seit 2005 gemeinsam mit dem Tourismusverband Franken fortgeführt, präsentiert Geschichte direkt vor Ort. Ergänzt wird dies durch ein Internetportal. 2004 startete das Projekt mit dem KulTour Pfad „Edel und frei – Franken im Mittelalter“ mit über 40 fränkischen Orten. An die Bayerische Landesausstellung 2006 lehnt sich der KulTour Pfad „200 Jahre Franken in Bayern“ an; der KulTour Pfad zur Industriekultur führt in über 50 Museen, auf der Deutschen Spielzeug- und der Deutschen Porzellanstraße direkt ins 19. Jahrhundert.

Eisenbahn, Energie und Erze

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war das heutige Franken ein vielschichtiges Gebilde, bestehend aus unterschiedlichen Herrschaften, reichsstädtischen Einflusszonen, kirchlichen Gebieten und Adelsterritorien. Erst durch die Eingliederung nach Bayern zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde ein wirtschaftlich geschlossener Raum geschaffen, in dem Gewerbe- und Handelsbegrenzungen nach und nach wegfielen. Den Anfang des Industrialisierungsprozesses kann man mit dem Bau der ersten Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth im Jahr 1835 gleichsetzen, dem ersten Schienenstrang in Deutschland. Nicht von staatlicher Seite kam die Initiative, sondern Geschäftsleute investierten in die neuartige Verkehrsverbindung.

Die Eisenbahn ermöglichte nicht nur den schnellen Personen-verkehr; wichtiger war die Möglichkeit, Güter und vor allem Kohle – das schwarze Gold – zu transportieren, das den neuen Dampfmaschinen als Brennmaterial und Antriebsstoff diente. Der Wechsel vom Holz zur Kohle als Energiequelle, und der auf den Schienen günstige Transport von Erzen bedeutete die wirtschaftliche Chance für Franken. Gleichzeitig war der Eisenbahnbau, bald von staatlicher Seite weitergetrieben, eine gigantische Investition, die über Jahre Arbeit für das Baugewerbe und viele Handwerken schuf. Mit dem Eisenbahnbau entstand eine Fülle von Arbeitsplätzen auch in der metallverarbeitenden Industrie: Schienen, Waggons und Lokomotiven wurden nun in Franken gebaut. Um diese produzieren zu können, mussten Maschinen erfunden werden, die neue Bauteile herstellen und bearbeiten konnten. Der Maschinenbau wurde zu einem wichtigen Standbein der Industrie in Franken.

Die erste Lokomotive – der Adler – kam zwar aus England, wurde aber in Nürnberg zusammengebaut. Der restaurierte Nachbau des Adlers ist heute im DB Museum im Verkehrsmuseum in Nürnberg zu sehen, das dem Besucher 200 Jahre Eisenbahngeschichte an verschiedenen Stationen wirkungsvoll näher bringt. Auch das Deutsche Dampflokomotiv Museum in Neuenmarkt gewährt einen äußerst lebendigen Eindruck in die technischen Höchstleistungen des Eisenbahnbaus. Immerhin war mit der schrägen Ebene ein technisches Kabinettstückchen zu bewältigen, das den Anschluss Bayerns an die industrialisierten Gebiete Sachsens und der Hauptstadt Berlin garantierte. Ein Traumziel für Lokomotivenfans – über 30 Dampflokomotiven sind im Neuenmarkter Ringlokschuppen zu bewundern.

Technik, die verbindet

Entlang den Eisenbahntrassen spannten sich bald die Drähte der elektrischen Telegraphie. Werner von Siemens hatte sich 1847 einen Zeigertelegraphen patentieren lassen; mit seinem Kompagnon Johann Georg von Halske gründete er in Nürnberg die „Telegraphenbauanstalt Siemens & Halske“. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stand die Firma Grundig für fortschrittliche Kommunikationstechnik „made in Franken“: Unvergessen ist der Coup von Max Grundig, 1945 den Radio-Bau-satz „Heinzelmann“ als Spielzeug herauszugeben, da unter den Alliierten die Herstellung von Rundfunkgeräten genehmigungs-pflichtig und stark beschränkt war. Zwei Museen führen fantasievoll und familientauglich in die Kultur- und Technikgeschichte der Kommunikation: Das Rundfunkmuseum der Stadt Fürth und das Museum für Kommunikation im Verkehrsmuseum Nürnberg.

Franken zieht an

Franken hatte auch in anderen Bereichen gute Voraussetzungen für den Prozess der Industrialisierung. So war die Textil-produktion im heutigen Oberfranken seit dem Mittelalter heimisch. Mit Spinnen und Weben in städtischen Werkstätten und auf dem Land verdienten sich viele Menschen ihr Brot, da die Ackererträge nur spärlich waren. Die Mechanisierung der Betriebsabläufe und die großen dampfgetriebenen Textilmaschinen machten die Textilindustrie zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor in Franken. Erst in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts musste sich die florierende Textilproduktion der ausländischen Konkurrenz beugen. Die Mechanisierung bedeutete für viele Handwerker aber auch die Aufgabe der eigenen Produktion; sie wurden Arbeitskräfte für die aufkommenden Fabriken.

Im oberfränkischen Textilmuseum in Helmbrechts kann der Besucher die Entwicklung von der handwerklichen zur industriellen Fertigung hautnah nachvollziehen. Dass die Jeans von einem Franken erfunden wurde, erfährt man in Buttenheim: Levi Strauss, dessen Leben dort auf höchst interessante Art in seinem Geburtshaus präsentiert wird, meldete nach seiner Auswanderung nach Amerika ein Patent auf vernietete Arbeitshosen an. Die Levi`s machten ihren Erfinder unsterblich. Die Bekleidungsindustrie in Franken besaß einen weiteren Schwerpunkt – Die Schuhherstellung. In Burgkunstadt wurden in der Blütezeit täglich über 12.000 Schuhe produziert. Die Dassler Brüder in Herzogenaurach machten ihre Marken adidas und Puma zu Welterfolgen.

Erfolgreiche Unternehmerfamilien

Der KulTour Pfad Industriekultur zeigt die Franken als Tüftler und als Unternehmer, die feine Handwerksstätten und eindrucksvolle Industrieanlagen errichteten. Die Broschüre „Industriekultur. 200 Jahre Technik in Franken” stellt einige der interessantesten Unternehmer und Pioniere ihrer Zunft auch persönlich vor – teilweise begründeten sie Dynastien, deren Erben noch heute im gleichen Wirtschaftszweig erfolgreich sind. Ein beeindruckendes Beispiel dafür ist die Geschichte der Familie Faber-Castell: In der achten Generation geführt, produziert das Unternehmen Faber-Castell heute weltweit über zwei Milliarden Blei- und Farbstifte pro Jahr. Die Geschichte der Familie und ihres Produktes erleben Besucher im Museum „Alte Mine” in Stein; bis zum 250. Firmenjubiläum im Jahr 2011 wird in Stein eine ganze „Faber-Castell Erlebnismeile” realisiert.

Wirkungsvoll präsentiert

Den gesamten Prozess der Industrialisierung, der nicht nur die Umwandlung von Handwerksstätten in Fabrikhallen mit großen Maschinen bedeutete, sondern auch nachhaltig das Leben der Menschen veränderte, kann man in zwei großen, modern gestalteten Museen nachvollziehen. Die Lebens- und Arbeitswelt städtischer Arbeiter und Handwerker steht im Mittelpunkt der Präsentation des Industriemuseums Lauf, malerisch am Fluss gelegen. Dort kann der Besucher ohne museale Überfrachtung verschiedene Handwerke kennen lernen. Die Räume einer ehemaligen Fabrikanlage präsentieren sich zudem als außergewöhnliches industriegeschichtliches Denkmal in atmosphärischer Dichte.

In den Räumen des ehemaligen Tafelwerks präsentiert das Museum Industriekultur in Nürnberg viele Facetten der letzten 200 Jahre Industriegeschichte in Franken mit dem Schwerpunkt auf Nürnberg. Wohnen und Leben der Arbeiter ist hier ebenso wirkungsvoll inszeniert wie die Entwicklung von Maschinen und Fahrzeugen. Der individuellen Mobilität sind weite Teile der 6000 qm Ausstellungsfläche gewidmet. Fränkische Automobile wie der Doktorwagen von Ludwig Maurer findet der Besucher ebenso wie einen repräsentativen Querschnitt durch ehemals florierende Fahrradherstellung in Nürnberg. Die umfangreiche Motorradabteilung gehört seit Jahren zum festen Besuchsprogramm von Zweiradenthusiasten. Der Elektrizität und den von ihr betriebenen Maschinen widmet das Museum eine Technikrevue in der Museumsstraße.

Ländliche Lebenswelten

Die Lebensgrundlage für die ständig anwachsende Bevölkerung bildete im 19. Jahrhundert die Landwirtschaft, bis heute noch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Franken. Die großflächige Einführung des Kartoffelanbaus machte die Industrialisierung eigentlich erst möglich – seit dieser Zeit gibt es übrigens erst die berühmten fränkischen „Glees“ (Klöße). Die Mechanisierung der Landwirtschaft mit Hilfe von Dreschmaschinen und Dampfpflügen, aber auch die ländliche Lebenswelt zur Zeit der Industrialisierung erlebt man im Fränkischen Freilandmuseum in Bad Windsheim und im Fränkischen Freilandmuseum in Fladungen in abwechslungsreicher und spannender Präsentation – nämlich der Originalkulisse. Schließlich ist Geschichte dort am anschaulichsten nachzuvollziehen, wo sie stattgefunden hat.

Geschichte erleben, genießen – und dabei sparen

Der neue KulTour Pfad durch Franken präsentiert also ein neues Gesicht von Franken, ohne seine geschätzten Seiten außer Acht zu lassen: Die großen und kleinen Museen oder Sammlungen zeigen die ganze Bandbreite der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert und belegen die Geschicklichkeit früherer Arbeiter. Dass deren Produkte auch heute noch auf der Zunge zergehen, beweisen zum Beispiel die fränkischen Brauereimuseen oder das Meerrettichmuseum in Baiersdorf. Ein ganzes Kapitel in der Broschüre zur Industriekultur ist mit „Nahrung und Genuss” überschrieben – und das ist wohl typisch Franken.

Sparen – teils sogar doppelt – kann man übrigens, wenn man sich mit dem Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN) auf den KulTour Pfad Industriekultur in Franken begibt: Zum einen mit den günstigen Fahrkarten – das TagesTicket Plus beispielsweise ist der Tipp für Familien und Gruppen. Zum anderen auch beim Eintritt: Im DB Museum, im Spielzeugmuseum und im Museum Industriekultur (alle Nürnberg), im Museum Solnhofen und an vielen anderen Zielen spart man bei Vorlage eines VGN-Tickets bis zu 30 Prozent des Eintrittspreises.

KONTAKTADRESSE

Tourismusverband Franken
Postfach 440453
90209 Nürnberg
Telefon 0911/94151-0, Fax 0911/94151-10
info@frankentourismus.de, www.frankentourismus.de

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