Auf Bühnentour: das Stadttheater in Aschaffenburg

von Lothar Reichel

Fasst 533 Plätze: der klassizistische Innenraum des Aschaffenburger Theaters.Aschaffenburg ist schön, aber anders. Wenn man in Schweinfurt geboren ist und einen guten Teil seines Lebens in Würzburg verbracht hat, dann kommt man zu dieser Einsicht. Nur was dieses Anderssein ausmacht - das ist schwer zu sagen. Es ist eine Sache des Gefühls - irgendwie...Und man tut den Aschaffenburgern damit auch keineswegs unrecht, betonen sie doch selber gerne ihre eigene Mentalität: Wir vom Untermain... Wir von unneruff...

Das als Ouvertüre der Bühnentour zum Stadttheater Aschaffenburg. Das dritte große Haus in Unterfranken - mit einer langen Geschichte und einer Besonderheit: Während die Theater in Würzburg und Schweinfurt Neubauten aus den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts sind, verfügt Aschaffenburg über ein historisches Kleinod, ein Theater im klassizistischen Stil des frühen 19. Jahrhunderts. Vielleicht liegt ja überhaupt in der Geschichte der Grund für dieses Gefühl vom Anderssein...

Denn Aschaffenburg gehörte seit Anbeginn sozusagen einer anderen "Sphäre" an, der Welt des Erzstifts Mainz, eines Kurfürstentums, war also benachbartes Ausland zum Hochstift Würzburg in einer Zeit zersplitterter Territorien. Als in der Säkularisation von 1803 die kirchlichen Fürstentümer untergingen, begann für Aschaffenburg eine kurze Zwischenepoche, in der das Theater der Stadt geboren wurde. Als Hauptstadt eines Fürstentums, Rest des Mainzer Kurstaates, Residenz des Kurerzkanzlers Carl Theodor von Dalberg, des einzigen verbliebenen geistlichen Fürsten, verfügte man über eine Hofkapelle und benötigte ein Hoftheater. So ließ Dalberg 1810 das Aschaffenburger Theater erbauen, im Gebäudetrakt des ehemaligen Deutschordenshauses. 1811 begann der Spielbetrieb, der auch weiterging, als nur drei Jahre später die große politische Veränderung in der Geschichte Aschaffenburgs anstand: die Eingliederung der Stadt in das Königreich Bayern. Theater wurde weiter gespielt, ein eigenes Schauspielensemble gab es bis 1948, Sprechtheater im Wechsel mit Musiktheater aus Hanau.

Heute versuche man, dem Genius loci des klassizistischen Ambientes mit einem dafür zugeschnittenen Programm gerecht zu werden, sagt Kulturamtsleiter Burkard Fleckenstein. Der intime Raum mit 533 Plätzen sei seiner Wortverständlichkeit wegen vor allem für Schauspielaufführungen geeignet. Orchesterkonzerte finden deshalb in der Stadthalle statt. Wie auch in Schweinfurt ist das Aschaffenburger Haus nun ein Gastspieltheater, es werden Produktionen der Tourneebühnen eingekauft, dazu kommen Abstecher fester Bühnen wie Würzburg oder Meiningen. Aschaffenburg, das darf nicht übersehen werden, liegt im Einzugsbereich einer großen Theaterlandschaft: Darmstadt, Frankfurt, Wiesbaden, Mainz liegen nur kurze Wegstrecken entfernt. Und da muß man sich behaupten. Das etablierte Abonnementspublikum "stirbt aus", sagt der Kulturamtsleiter. Man befinde sich im Umbruch. Unsichere Zeiten eben - wie überall...

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