Die kulturellen Weiten des Amviehtheaters im Berwindshof

von Lothar Reichel

Exotische Märchen aus Indien, Persien, Arabien mit Marion Neuendorf als Erzählerin, Miriam Krämer, Flöte, und Thomas Hupp, Percussion.

Halsheim muss man erst einmal finden. Es liegt zwischen Arnstein und Karlstadt im idyllischen Werntal. Mitten im Ort ein fränkischer Bauernhof, der es in sich hat. Aus Scheune und Kuhstall ist etwas geworden, was Annette und Franz Berwind anspielungsreichlistig "Amviehtheater" genannt haben: ein uriges Domizil für eine Kleinkunstbühne. Dichtgedrängt 90 Sitzplätze und wenig Platz für die Künstler.

Die kommen von nah und ganz weit: mit exotischen Märchen aus Indien und Persien, argentinischem Tango, Songs aus der "fränkischen Wildnis" und Ethno-Jazz aus der Mongolei. Das Publikum kommt eher von nah: aus der Umgebung, aus Schweinfurt und Würzburg. Inzwischen zahlreich, die 20 Veranstaltungen pro Jahr sind immer ausverkauft, schon allein deshalb, weil es inzwischen die Möglichkeit gibt, sie im voraus zu abonnieren.

Das war vielleicht nicht unbedingt zu erwarten, als die beiden Berwinds am Faschingsdienstag 1994 das landwirtschaftliche Anwesen erwarben. Keine Kühe mehr und kein Weinbau, dafür nun Mundartkabarett und Musik querbeet. Viel Musik, weil Franz Berwind Musiker ist, obwohl er Sozialpädagogik studiert hat. Schon damals tourte er als Straßenmusikant mit fränkischer Volksmusik durch die Lande, dann kamen Engagements hinzu, und daraus wurde ein Beruf. Heute spielt er in fünf Gruppen eben querbeet: von Folklore über alten Schlager zu Musik auf historischen Instrumenten - und im heimatlichen Amviehtheater reizt er die Grenzen immer weiter aus. Für dieses Jahr plant er Workshops in Obertonsingen und Jodeln, bietet einen Didgeri-doo-Spielkurs an, lädt zum Frühjahrssingen ein.

Annette Berwind, ehemalige Bahnbeamtin, ist inzwischen ebenso in musikalischen Grenzgängen bewandert. Sie spielt Kontrabass, tritt als Bauchtänzerin auf und beschäftigt sich und andere mit biodynamischem Tanzen. Wenn man bei den Berwinds nach dem Rundgang durch Haus und Hof in der Küche sitzt, kann es einem leicht schwindelig werden angesichts dieser kulturellen Weiten in der tiefsten unterfränkischen Provinz. Und es beschleicht einen das leicht euphorische Gefühl, daß es sich hier doch auch gut aushalten lässt. Weil die große Welt offensichtlich nicht nur in den Metropolen zu finden ist. Und weil man sich manchmal sogar des Eindrucks nicht erwehren kann, dass die Horizonte da weiter sind, wo angeblich nur flaches, plattes Land ist.

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