Das Landestheater Dinkelsbühl bringt Unterhaltung mit Tiefgang auf die Bühne

von Lothar Reichel

Geographische Annäherung an Dinkelsbühl: Es liegt nahe an einer kulturell, mentalitätsmäßig und lebensphilosophisch höchst bedeutsamen Grenze, der zwischen Franken und Schwaben nämlich. Allerdings ist Dinkelsbühl auf der sicheren Seite, es ist noch eindeutig mittelfränkisch und bayrisch. Ein Städtchen mit gerade mal elftausend Einwohnern, das sich ein eigenes Theater leistet. Wobei sich einiges geändert hat in den letzten Jahren: Bis 2006 firmierte die Bühne als Fränkisch-Schwäbisches Städtetheater, dann hat es vom bayerischen Kultusminister das Prädikat „Landestheater“ erhalten. Und zur Freilichtbühne am alten Wehrgang ist im Mai 2008 endlich eine eigene, feste Winterspielstätte im Spitalhof gekommen – zuvor spielte man in der kalten Jahreszeit im Festsaal eines Gasthauses. Außerdem gab und gibt es Tourneen in das schwäbisch-fränkische Umland. Eine weitere Besonderheit des Theaterlebens in Dinkelsbühl: Es gibt ein kleines, aber festes Ensemble mit lediglich fünf Schauspielern, für die einzelnen Produktionen werden dann Gastkünstler dazu engagiert. Das Programm in dieser Spielzeit setzt auf Unterhaltung mit Tiefgang und Niveau. Der Weg zweier Gasthaustester durch die Gasthäuser der Provinz in der Tragikomödie „Indien“ von Josef Hader und Alfred Dorfer bringt Hausmannskost mit skurrilen Nuancen auf die Bühne. „Die Komödie im Dunkeln“ von Peter Shaffer, in der ein plötzlicher Stromausfall die Pläne der Protagonisten über den Haufen wirft, ist bewährter Slapstick very british. „Der zerbrochene Krug“ von Heinrich von Kleist ist trotz aller Abgründigkeit der Klassiker, der dem Volkstheater am nähesten ist. „Die Kuh Rosmarie“ ist eine Kinderkomödie um ein nörgelndes Rindvieh, das selbst in Afrika die Schnauze nicht halten kann. Die Farce „Bezahlt wird nicht!“ von Dario Fo glänzt mit aberwitziger Situationskomik, und die Komödie „Kunst“ von Yasmina Reza, in der ein weißes Bild eine Männerfreundschaft zerbrechen läßt, ist eines der erfolgreichsten Stücke des Boulevardtheaters überhaupt. Das Landestheater Dinkelsbühl balanciert mit diesem Spielplan geschickt auf einer anderen Grenze als der genannten: der Grenze zwischen kassensicherer Unterhaltung und experimentierfreudigem Tiefgang. Die einzelnen Inszenierungen müssen zeigen, wie der Balanceakt ausfällt.

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