Das Theater „Augenblick“ feiert am 14. Dezember seinen 20. Geburtstag

von Pat Christ (erschienen in Ausgabe 11/2018)

Zeitgeistphänomene zur Diskussion stellen, ungute Entwicklungen entlarven, Alternativen andeuten - all das tut das Würzburger Theater „Augenblick“ seit 1998 auf seine ganz eigene, spezielle Weise.

Alles begann ganz klein, erzählt Stefan Merk: „Als ich vor über 20 Jahren in den Sozialdienst der Mainfränkischen Werkstätten einstieg, übernahm ich die Freizeitgruppe ‚Theater’.“

Mit großem Erfolg wurde ein erstes Stück in einer Hochschulgemeinde aufgeführt. Wo es so viele Fans gibt, muss mehr möglich sein, dachte sich Merk.

So entstand die Idee, einen eigenen Arbeitsbereich „Theater“ für Schauspieler mit einer geistigen Behinderung in den Mainfränkischen Werkstätten aufzubauen.

Am 8. Oktober 1998 brachten die Akteure ihre erste Produktion „Traumgeschenke“ auf die Bühne eines Off-Theaters. Das war die Geburtsstunde des „Augenblick“.

Zu jener Zeit hatte die kreative Gruppe um Stefan Merk noch keine eigene Bühne. Schauspieler, Requisiten und Equipment mussten bei Vorstellungen von Ort zu Ort transportiert werden.

Das „Augenblick“ trat auf befreundeten Bühnen, Festivals und einmal sogar im Nürnberger Zoo auf.

„Ich spielte damals einen Papagei“, erinnert sich Peter Englert, Schauspieler der ersten Stunde. Sechs Jahre war das Theater auf Wanderschaft.

Diese Zeit hat Merk als sehr anstrengend in Erinnerung: „Einmal mussten wir vor der Vorstellung sogar aufs Dach klettern, um ein Dachfenster abzukleben, denn wir brauchten es ja drinnen dunkel.“

Erst 2004 ging der Herzenswunsch des Ensembles nach einer eigenen Bühne in Erfüllung. Die Mainfränkischen Werkstätten hatten damals entschieden, im Würzburger Stadtteil Lengfeld ein neues Gebäude zu errichten.

Um die 35 Vorstellungen werden hier seitdem jährlich geboten. Mehr wären, was die Fans anbelangt, durchaus möglich, denn jede Vorstellung ist ausverkauft. Der begrenzende Faktor sind die hauptamtlichen Personalstunden. Stefan Merk: „Wenn wir zu viel spielen, haben wir zu wenig Zeit, um ein neues Stück zu entwickeln.“

Obwohl Inklusion ein dominierendes Thema in Gesellschaft und Politik ist, hapert es an einer Förderung, die echte Inklusion im Kultursektor ermöglicht, bedauert Merk.

Zwar wird das „Augenblick“, seit 2014 vom Freistaat institutionell gefördert. Wofür das Ensemble auch sehr dankbar ist. Doch letztlich reicht das Geld immer noch nicht. 70 Millionen Euro, so Merk, gibt Bayern jedes Jahr für freie Theater aus.

Als einziges Theater im Freistaat erhält das „Augenblick“ 27.000 Euro für Personalkosten des nichtbehinderten Personals, für Requisiten, Kostüme und Bühnenbild. Merk hat ausgerechnet: Das sind nicht mal 0,05 Prozent für inklusives Theater. Allerdings leben fast zehn Prozent Behinderte in Bayern.

Wer Näheres über Idee und Konzept des „Augenblick“ erfahren möchte, ist zur Jubiläumsfeier am 14. Dezember um 19 Uhr ins Theater (Im Kreuz 1) eingeladen. An diesem Abend wird auch ein Porträtfilm über das „Augenblick“ uraufgeführt.

INFO: www.theater-augenblick.de

Bildnachweis: Pat Christ , Andreas Grasser (teaser)

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