Ich gebe offen zu: Um das Kurtheater in Bad Kissingen wollte ich auf meiner Bühnentour durch Mainfranken zuerst einen Bogen machen. Warum? Weil ich fälschlicherweise glaubte, es gäbe dort immer noch ein Sammelsurium aus Operettenaufführungen, Bauerntheater und bunten Abenden. Dann vertiefte ich mich in die Geschichte des Hauses und war einigermaßen erstaunt.
Dort im Kurbad wurde nämlich durchaus ein hochinteressantes Kapitel fränkischer Theatergeschichte geschrieben. Und in dem Jahr, in dem das Würzburger Theater 200jähriges Jubiläum feiert, ist ein Blick nach Bad Kissingen besonders aufschlussreich. Denn das Würzburger Jubiläum bezieht sich ja auf ein Städtisches Theater, zu dem endlich alle Bürger Zutritt hatten.
Zuvor gab es dort aber schon ein Hoftheater in der fürstbischöflichen Residenz. Doch für Kissingen erteilte Fürstbischof Adam Friedrich von Seinsheim bereits 1778 die Erlaubnis, ein Theater zur Unterhaltung der Kurgäste zu errichten. Es scheint darüber recht wenig bekannt zu sein, nur soviel, dass es wohl im Alten Amtshaus beheimatet war.
Bis 1856 hüllt sich daher die Theatergeschichte von Bad Kissingen ins geschichtliche Dunkel. In jenem Jahr wurde dann aber ein Sommertheater im Schweizerhausstil gebaut, mit Parterre, Logen, Rang und Galerie und über 400 Sitzplätzen.
Glanzvolle Geschichte
1871 verpachtete man es an den Würzburger Theaterdirektor Eduard Reimann, der mit seinem Ensemble beachtliche Aufführungen im Kurbad auf die Bühne brachte. Fast 50 Jahre währte diese frühe Spielart des Kissinger Sommers, bis die bayerische Regierung 1904 den renommierten Theaterarchitekten Max Littmann beauftragte, ein neues Theater zu bauen. Bereits im Sommer 1905 konnte das Haus eröffnet und eingeweiht werden. Es ist der Bau, der heute noch steht. Zu der Zeit war bereits der Sohn Eduard Reimanns, Otto, ein bekannter Schauspieler, Direktor der Bühne. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges scheint das Haus glanzvolle Jahre erlebt zu haben. Es war noch die goldene Operettenzeit, und sie passte besonders in ein Kurbad wie Kissingen.
1937 fusionierten die Theater von Würzburg und Bad Kissingen offiziell. Doch schon vier Jahre später kam das "Aus", denn Otto Reimann legte die Intendanz überraschend nieder. Die Kriegs- und Nachkriegszeit ließ das Haus für Jahre im Dornröschenschlaf versinken. Seit 1949 wurde wieder gespielt, es gab allerdings kein eigenes Ensemble mehr, und das Interesse der Kurgäste scheint recht gering gewesen zu sein. Es kam sogar so weit, dass das Haus an spielfreien Abenden als Kino genutzt wurde. Doch die Situation hat sich erfreulicherweise sehr gebessert. Es gibt wieder ein ambitioniertes Programm mit renommierten Gastspielbühnen, es gibt Operette und Musical - und für mich die Erkenntnis, dass kein Grund vorliegt, um das Staatliche Kurtheater Bad Kissingen einen Bogen zu machen. Der erste Schritt ist hiermit ja schon getan.