Spielzeit des E.T.A. Hoffmann Theaters Bamberg: von Champagnerlaune bis Apokalypse

von nio (erschienen in Ausgabe 09/2020)

Die Klimatrilogie „paradies fluten/hungern/ spielen“ beleuchtet die Migrationsströme und die Ausbeutung von Mensch und Natur vor historischem Hintergrund – mit beunruhigenden Erkenntnissen für das 21. Jahrhundert.
Wie steht es um unsere Freiheit, Klima, Wirtschaft und Globalisierung? Und wie um unsere Solidarität? Bereits im Herbst 2019 hat das Theaterteam um Intendantin Sibylle Broll-Pape die Themen für die anstehende Spielzeit ausgewählt. Jetzt gewinnen sie eine neue Brisanz.

Einen Fokus auf „Corona“ werde es nicht geben. Aber: „Viele Texte stellen Fragen, die jetzt stärker denn je relevant sind“, betont Chefdramaturg Remsi Al Khalisi bei der Vorstellung des Spielplans im Mai. „Ob der gesamte Spielplan durchsetzbar ist, wissen wir nicht“, so Broll-Pape. Unter dem Motto „Wo stehen wir?“ versucht man am E.T.A.-Hoffmann-Platz 1 eine Bestandsaufnahme der Welt – sowohl in gesellschaftspolitischer als auch in individueller Hinsicht. Seinem bisherigen Ansatz bleiben die Theaterleute dabei treu: Für die neue Spielzeit nimmt das E.T.A. Hoffmann Theater zwölf Neuproduktionen ins Programm, davon zwei Uraufführungen und zwei Erstaufführungen. In Anton Tschechows Komödie „Der Kirschgarten“, die schon in der letzten Spielzeit zur Aufführung hätte kommen sollen, treffen ab 9. Oktober die nostalgischen Bewahrer auf den blitzgescheiten Aufsteiger, der erkannt hat, dass die Zukunft Sentimentalitäten nicht verzeihen wird. Björn SC Deigners Theaterstück „Die Polizey“ ist ein Auftragswerk, welches basierend auf Schillers Fragment „Die Polizey“ ab 11. Oktober Polizeigeschichte ebenso wie Verschwörungen in und um den Polizeiapparat untersucht. Die Klimatrilogie von Thomas Köck „paradies fluten/hungern/spielen“ ist ab 31. Oktober zu sehen. Das Weihnachtsmärchen wird ab 21. November „Herr Bello und das blaue Wunder“ des Bamberger Kinderbuchautors Paul Maar sein.

Ab 4. Dezember kommt in Mark Ravenhills „Der Stock“ durch die gnadenlos-bissigen Dialoge der Kern der Debatte um Machtmissbrauch zum Vorschein, althergebrachte Auffassungen zerbrechen an den Anforderungen der Gegenwart. Mit „Gott ist 3 Frauen (Gi3F)“ entwirft Miroslava Svolikova fein und leicht eine Schöpfungsgeschichte, die das menschliche Irren und Streben zwinkernd begutachtet. Premiere ist am 22. Januar 2021. Ab 30. Januar 2021 steht Gabriele Tergits großer Familienroman „Effingers“ auf dem Spielplan. Er beginnt mit einem Brief des 17-Jährigen Paul Effinger und endet mit dem Abschiedsbrief des nunmehr 80-Jährigen kurz vor der Deportation in die Vernichtungslager 1942. Ausgehend von Hannah Arendts Schriften zum „Bösen“ will sich das E.T.A. Hoffmann Theater ab 12. März mit der großen Denkerin des 20. Jahrhunderts beschäftigen.

„Die Banalität des Bösen“ wird von Clemens Bechtel inszeniert. „Der Riss durch die Welt“ ist Roland Schimmelpfennigs neuestes Stück, in dem er seine Figuren ab 19. März mit einem göttlichen Fingerschnipsen rasant von Champagnerlaune in apokalyptische Düsternis springen lässt. Ödön von Horváths Volksstück „Kasimir und Karoline“ in der Regie von Stefan Otteni nimmt das Publikum ab 7. Mai mit auf das Münchner Oktoberfest in Zeiten der Wirtschaftskrise. In „Gold“ von Philipp Gärtner geht der Spätkapitalismus ab 14. Mai märchenhaft unter und zum Abschluss der Spielzeit stehen wieder die Calderón-Freilichtspiele in der Alten Hofhaltung an. Zu sehen gibt es dort ab dem 3. Juli William Shakespeares „Was ihr wollt“ in der Inszenierung von Mia Constantine. Doch das ist bislang Zukunftsmusik. Die neue Theatersaison startet am 3. Oktober mit dem musikalischen Abend „Schöne Aussichten!“. In diesem Sinne…

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www.theater.bamberg.de

Bildnachweis: E.T.A. Hoffmann Theater/ Sebastian Quenzer

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